Jeder stirbt für sich allein
zuerst den Namen «H. Häberle» in seinem Hirn und schlich dann auf den Hof hinaus. Und siehe, er hatte Glück, sie brannten schon Licht, obwohl es kaum dämmerig geworden war, und an einem schiefhängenden Store vorbeiblickend konnte Borkhausen die Stube bestens übersehen. Was er da aber sah, das überraschte ihn derart, daß er fast einen Schreck bekam.
Denn da kniete sein Freund Enno auf der Erde, kniend rutschte er hinter der dicken Frau her, die mit ängstlich angezogenen Röcken Schritt für Schritt vor ihm zurückwich. Ennochen aber hatte die Ärmchen erhoben, er schien zu weinen und Klagelaute auszustoßen.
Ihr lieben Leute! dachte Borkhausen und trat auf seinem Beobachtungsposten vor Entzücken von einem Bein auf das andere, ihr lieben Leute, wenn ihr euch so Appetit auf die Nacht macht, dann proste Mahlzeit, dann seid ihr ja verdammt ulkige Kruken! Da will ich gerne hier die halbe Nacht stehen und euch zukieken.
Aber da schlug die Tür hinter der Alten zu, und der En-no stand an der Tür, bewegte die Klinke auf und ab und schien weiter zu flennen und zu beschwören.
Vielleicht war's nicht nur so 'ne kleine Vorfeier für die Nacht, dachte Borkhausen. Vielleicht haben sie sich gestritten, oder Enno hat was von ihr haben wollen, was sie ihm nicht gibt, oder sie will überhaupt von dem verliebten alten Gockel nichts wissen ... Was geht es mich an? Jedenfalls bleibt er hier zur Nacht, wozu wäre ihm sonst auf dem Sofa ein so schönes weißes Bettchen zurechtgemacht?
Der Enno Kluge stand grade vor dem Bettchen.
Borkhausen konnte das Gesicht seines ehemaligen Kumpels ganz deutlich sehen. Es war zum Verwundern, wie es jetzt ausschaute. Eben noch Weinen und Wehklagen, und nun grinste der Mann, sah zur Tür, grinste wieder ...
Der hat der Alten also nur ein Theater vorgespielt. Na, denn also, mein Junge, viel Glück! Ich fürchte nur, der Escherich spuckt dir in deine Suppe!
Der Kluge hatte sich eine Zigarette angesteckt. Nun ging er direkt auf das Fenster zu, durch das Borkhausen spähte. Der fuhr erschrocken zur Seite - das Verdunklungsrouleau sauste herunter, und Borkhausen konnte ruhig seinen Beobachtungsposten für diese Nacht aufgeben. Große Aufregungen waren nicht mehr zu erwarten, wenigstens würde er davon nichts mehr zu sehen bekommen. Der Enno aber war ihm für diese Nacht sicher ...
Eigentlich war mit dem Kommissar Escherich vereinbart worden, daß Borkhausen ihn sofort nach der Entdeckung Enno Kluges anrufen sollte, einerlei ob Tag oder Nacht.
Aber wie Borkhausen da in der Nacht immer weiter vom Königstor fortging, wurde ihm stets zweifelhafter, ob ein sofortiger Anruf wirklich das Richtige war, das für Borkhausens Nutzen. Ihm war eingefallen, daß es in dieser Sache doch zwei Parteien gab, daß er also eigentlich von beiden Nutzen ziehen konnte.
Das Geld von Escherich war ihm sicher, warum sollte er nicht versuchen, auch aus Enno Kluge ein bißchen Geld zu machen? Da hatte dieser Bursche einen Fünfzigmarkschein in der Hand gehabt, den er durch den Sieg Adebars auf über zweihundert Mark vermehrt hatte -nun, warum sollte nicht er, Borkhausen, auch dieses Geld haben? Dem Escherich geschah kein Schaden dadurch, der bekam seinen Enno trotzdem, und Enno geschah auch kein Schaden, denn die auf der Gestapo nahmen ihm doch das Geld ab.
Also?
Und dann war da diese dicke Frau, hinter der Enno so komisch auf den Knien gerutscht war. Die hatte sicher Geld, vielleicht sogar eine ganze Menge. Das Geschäft sah gut aus, hatte noch viel Ware, und an Kunden schien es ihr auch nicht zu fehlen. Nein, diese Flennerei und Rut-scherei Kluges sah nicht grade danach aus, daß die beiden schon in allen Dingen einig waren, das nicht, zugegeben, aber wer liefert denn grade einen Liebhaber, und sei es auch ein abgewiesener, der Gestapo aus? Die Tatsache, daß die Alte den Enno trotz der Abweisung noch bei sich duldete, daß sie ihm ein Nachtlager auf dem Sofa bereitet hatte, bewies, daß ihr noch was an Enno lag. Und lag ihr noch was an dem alten Graukopf, so würde sie auch zahlen, vielleicht nicht viel, aber doch etwas. Und dieses Etwas wollte Borkhausen sich keinesfalls entgehen lassen.
Wenn Borkhausen so weit mit seinen Gedanken gekommen war - und er kam auf diesem Heimweg und in der Nacht neben seiner Otti liegend noch mehrfach so weit -, so faßte ihn immer ein leichter Schreck, denn dann fiel ihm ein, daß er ein ziemlich gefährliches Spiel vorhatte. Dieser Escherich war bestimmt kein Mann, der
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