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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ange-rissene Packungen mit Rauchwaren.
    In den Diebsfingern des Schnüfflers Klebs zuckte es. Am liebsten hätte er jetzt gerafft und gegrapscht: Schnaps, Rauchwaren, Kippen, auch die Taschenuhr dort aus der Weste, die über einem Stuhl hing. Aber er war jetzt nur ein Bote der Gestapo oder der Partei. So setzte er sich brav auf ein Stühlchen und piepste fröhlich: «Ach, hier gibt's zu trinken und zu rauchen! Du hast's gut, Persicke!»
    Der Alte sah ihn mit einem schweren, trüben Blick an.
    Dann schob er dem Besucher mit einem Ruck eine halbvolle Flasche Schnaps über den Tisch - Klebs konnte sie grade noch fassen, ehe sie kippte.
    «Such dir was zu rauchen!» murmelte Persicke und sah sich in der Stube um. «Hier muß irgendwas zu rauchen rumliegen.» Und er setzte mit schwerer Zunge hinzu:
    «Aber Feuer habe ich keines!»
    «Mach dir keine Sorgen, Persicke!» pfiff Klebs beruhigend. «Ich finde schon, was ich brauche. Du wirst ja in der Küche Gas haben und einen Gasanzünder.»
    Er tat so, als kennten sie sich schon seit langem. Als seien sie die ältesten Freunde. Ganz selbstverständlich schlich er auf seinen schiefen Beinen in die Küche - dort sah es mit zertrümmertem Geschirr und umgestürzten Möbeln noch schlimmer aus als in der Stube -, fand wirklich den Gasanzünder in all dem Durcheinander und machte sich Feuer.
    Er hatte sich gleich drei angebrochene Zigarettenpak-kungen eingesteckt. Eine davon hatte zwar in Schnaps gebadet, aber das konnte man trocknen. Auf dem Rückweg sah Klebs noch in die beiden andern Stuben, alles sah völlig verwüstet und verkommen aus. Wie Klebs gleich vermutet hatte, war der alte Mann allein in der Wohnung.
    Der Schnüffler rieb sich zufrieden die Hände, wobei seine gelbschwarzen Zähne sichtbar wurden. Bei dem würde wohl noch mehr zu holen sein als ein bißchen Schnaps und ein paar Zigaretten.
    Der alte Persicke saß noch immer auf demselben Stuhl am Tisch, genau wie ihn Klebs verlassen hatte. Aber der listige Klebs merkte doch, daß der Alte zwischendurch auf den Beinen gewesen sein mußte, denn vor ihm stand jetzt eine volle Schnapsflasche, die vorher nicht zu sehen gewesen war.
    Hat also irgendwo noch mehr liegen. Das werden wir schon noch rauskriegen!
    Klebs ließ sich mit einem behaglichen Fiepen auf seinen Stuhl nieder, blies seinem Gegenüber einen Schwaden Tabakrauch ins Gesicht, nahm einen Schluck aus der Flasche und fragte harmlos: «Na, was hast du nu auf dem Herzen, Persicke? Immer raus, alter Junge, frei die Brust! Und frisch gewaschen, sonst wirst du erschossen!»
    Der alte Mann zitterte bei den letzten Worten. Er hatte nicht erfassen können, in welchem Zusammenhang sie gesprochen waren. Nur daß von Erschießen die Rede war, hatte er begriffen.
    «Nein, nein!» murmelte er ängstlich. «Nicht schießen, nur nicht schießen. Baldur kommt, Baldur macht alles wieder gut!»
    Die Ratte ließ es erst einmal unerörtert, wer Baldur war, der alles wiedergutmachende Baldur. «Ja, wenn du's nur wiedergutmachen kannst, Persicke!» sagte er vorsichtig.
    Er warf einen Blick auf das Gesicht des andern, das, wie es ihm schien, finster und argwöhnisch auf ihn starrte.
    «Aber freilich, wenn erst Baldur kommt ...» meinte er versöhnlich.
    Der alte Mann starrte ihn immer weiter schweigend an.
    Plötzlich sagte er, in einem jener lichten Momente, wie sie grade dauernd Betrunkene dann und wann haben, mit gar nicht mehr lallender Zunge: «Wer sind Sie eigentlich?
    Was sollen Sie von mir? Ich kenn Sie doch gar nicht!»
    Die Ratte sah den plötzlich so klar Gewordenen vorsichtig an. In solchen Stadien wurden die Betrunkenen oft streit-und prügelsüchtig, und Klebs war bloß ein Männchen (und ein Feigling dazu), während man es dem alten Persicke selbst jetzt im schlimmsten Verfall ansah, daß er seinem Führer zwei stattliche SS-Männer und einen Schüler der Napola geschenkt hatte.
    Klebs sagte einlenkend: «Hab's Ihnen schon gesagt, Herr Persicke. Sie haben's vielleicht nicht ganz erfaßt.
    Mein Name ist Klebs, komme von der Partei, um ein paar Erkundigungen einzuziehen ...»
    Die Faust Persickes donnerte auf den Tisch. Die beiden Flaschen gerieten ins Schwanken - rasch rettete sie Klebs.
    «Wie kommst du Hund dazu», schrie Persicke, «zu sagen, ich hätte was nicht erfaßt? Bist du klüger als ich, du Stinktier? Sagst mir in meinem eigenen Hause an meinem eigenen Tisch, ich kann nicht erfassen, was du sagst, Stinktier, elendiges!»
    «Nein, nein, nein, Herr Persicke!»

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