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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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entmündigt wirst!»
    «Das tut er nicht! Doktor Martens mag mich mächtig gerne; er hat gesagt, so schöne Schweinereien wie ich weiß keiner! Der tut mir das nicht an. Und außerdem hat er mir fest versprochen, daß ich in sechs Wochen entlassen werde!»
    «Wenn ich ihm aber erzähle, daß du mich eben erst hast überreden wollen, dir eine Flasche einzuschmuggeln, wird er anders über deine Heilung denken!»
    «Das tust du nicht, Baldur! Du bist doch mein Sohn, und ich bin dein Vater ...»
    «Was ist denn da weiter bei? Von irgendwem muß ich doch der Sohn sein, und ich finde, ich habe gerade einen von den schäbigsten Vätern abbekommen.»
    Er sah seinen Vater geringschätzig an. Und dann setzt er hinzu: «Nee, nee, Vater, das mach dir man ab, an den
    Gedanken gewöhn du dich nur: du bleibst hier. Du blamierst draußen ja doch nur die ganze Innung!»
    Der Alte ist verzweifelt. Er sagt: «Die Mutter wird das nie zugeben, das mit der Entmündigung, und daß ich ewig hierbleibe!»
    «Na, so ewig wird's gar nicht werden, wie du jetzt aussiehst!» Baldur lacht und schlägt die Beine mit den schön gebeutelten Reithosen übereinander. Zufrieden betrachtet er den - von der Mutter erzeugten - Glanz seiner Stiefel.
    «Und Mutter hat solche Angst vor dir; die weigert sich ja sogar, dich zu besuchen. Denkst du, Mutter hat vergessen, wie du sie beim Halse gehabt und gewürgt hast? Das vergißt dir Mutter nie!»
    «Dann schreibe ich an den Führer!» rief der alte Persik-ke aufgebracht. «Der Führer läßt einen alten Kämpfer nicht im Stich!»
    «Was bist du denn dem Führer noch nutze? Der Führer schert sich einen Dreck um dich, der wirft nicht einen Blick auf dein Geklaue! Außerdem kannst du mit deinen alten zittrigen Säuferhänden gar nicht mehr schreiben, und dann lassen die hier gar keinen Brief von dir raus, da-für werde ich sorgen! Schade um das Papier!»
    «Baldur, habe doch Erbarmen mit mir! Du bist doch mal
    ein kleiner Junge gewesen! Ich bin doch sonntags mit dir spazierengegangen. Weißt du noch, wie wir mal auf dem Kreuzberg waren, und das Wasser lief so schön rosa und blau? Ich hab dir immer Würstchen und Bonbons gekauft, und als du damals mit elf Jahren die Geschichte mit dem kleinen Kind angestellt hattest, da habe ich dafür gesorgt, daß du nicht von der Schule flogst und in Zwangserzie-hung kamst! Was wärst du ohne deinen ollen Vater, Baldur? Und nun darfste mich auch nicht in dieser Klapsmühle steckenlassen!»
    Baldur hatte sich diesen langen Erguß, ohne eine Miene zu verziehen, angehört. Nun sagte er: «Also jetzt willst du auf die Gefühlstube drücken, Vater? Finde ich ganz tüchtig von dir. Bloß so was wirkt bei mir nicht, das müßtest du doch wissen, daß ich mir aus Gefühlen nichts mache!
    Gefühle - eine richtige Schinkenstulle ist mir lieber als alle Gefühle! Aber ich will nicht so sein, ich will dir noch
    'ne Zigarette schenken - allez hopp!»
    Aber der Alte war zu aufgeregt, um jetzt an Rauchen zu denken. Die Zigarette fiel - zum neuen Ärger Baldurs -
    unbeachtet auf den Boden.
    «Baldur!» flehte der Alte wieder. «Du weißt nicht, was dies für ein Haus ist! Hier lassen sie einen verhungern, und immer schlagen einen die Pfleger. Und die andern Kranken schlagen mich auch. Ich hab so zittrige Hände, ich kann mich nicht wehren, und dann nehmen sie mir das bißchen Essen auch noch weg ...»
    Während der Alte so flehte, hatte Baldur sich zum Fortgehen fertiggemacht, aber sein Vater klammerte sich an ihn, er hielt den Sohn fest und fuhr immer eiliger fort:
    «Und es kommen noch viel schrecklichere Dinge vor. Manchmal gibt der Oberpfleger den Kranken, die ein bißchen laut waren, eine Spritze mit so 'nem grünen Zeug, ich weiß nicht, wie es heißt. Und davon müssen die Leute immerzu kotzen, sie kotzen sich die Seele aus dem Leibe, und plötzlich sind sie weg. Mausetot, Baldur, du wirst doch nicht wollen, daß dein Vater so stirbt, indem er sich die Seele aus dem Leibe kotzt, dein eigener Vater! Baldur, sei gut, hilf mir! Nimm mich hier raus, ich habe solche Angst!»
    Aber Baldur Persicke hatte sich jetzt lange genug dieses Geflenne angehört. Er machte sich von dem alten Persicke gewaltsam los, drückte ihn in einen Sessel und sagte: «Na, dann mach's gut, Vater! Ich werde die Mutter von dir grüßen. Und denke daran, daß da am Tisch noch eine Zigarette liegt. Wäre ja schade darum!»
    Damit ging dieser echte Sohn seines Vaters.
    Baldur aber verließ noch nicht die

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