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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Trinkerheilanstalt, sondern er ließ sich bei Herrn Oberarzt Dr. Martens melden. Er hatte auch Glück, der Oberarzt war sowohl da wie auch zu sprechen. Er begrüßte seinen Besucher höflich, und einen Augenblick sahen sich die beiden vorsichtig musternd an.
    Dann sagte der Oberarzt: «Wie ich sehe, sind Sie auf der Napola, Herr Persicke, oder irre ich mich?»
    «Nein, Herr Oberarzt, ich bin auf der Napola», antwortete Baldur stolz.
    «Ja, heute geschieht für unsere Jugend allerhand», meinte der Oberarzt beifällig nickend. «Ich wollte, ich hät-te in meiner Jugend auch solche Förderung erfahren. Sie sind noch nicht zum Kriegsdienst eingezogen, Herr Persicke?»
    «Mit dem üblichen Kommiß werde ich wohl verschont werden», sagte nachlässig-verächtlich Baldur Persicke.
    «Ich werde wohl ein großes ländliches Gebiet zur Verwaltung bekommen, Ukraine oder Krim. Ein paar Dutzend Quadratkilometer.»
    «Ich verstehe», nickte der Arzt.
    «Sie sind in der Partei, Herr Doktor Martens?» «Leider nicht. Die Wahrheit zu gestehen, ein Großvater von mir hat eine Torheit begangen, der bekannte kleine Webfehler, Sie wissen?» Und eilig fortfahrend: «Aber die Sache ist beigelegt und geordnet, meine Chefs sind für mich eingetreten, ich gelte als reiner Arier. Ich möchte sagen: Ich bin es. In Kürze hoffe ich auch, das Hakenkreuz tragen zu dürfen.»
    Baldur saß sehr gerade. Als reiner Arier fühlte er sich seinem Gegenüber weit überlegen, der solche Hintertreppen brauchte. «Ich wollte mit Ihnen wegen meines Vaters reden, Herr Oberarzt», sagte er, fast im Tone eines Vorgesetzten.
    «Oh, mit Ihrem Vater geht alles glatt, Herr Persicke!
    Ich denke, in sechs, acht Wochen werden wir ihn als geheilt entlassen können .»
    «Mein Vater ist nicht heilbar!» unterbrach ihn Baldur Persicke schroff. «Mein Vater hat getrunken, seit ich denken kann. Und wenn Sie ihn hier vormittags als geheilt entlassen, wird er nachmittags bei uns betrunken ankommen. Wir kennen diese Heilungen. Meine Mutter und meine Geschwister wünschen, daß mein Vater den Rest seines Lebens hier verbringt. Ich schließe mich diesen Wünschen an, Herr Oberarzt!» «Gewiß, gewiß!» beeilte sich der Arzt zu versichern.
    «Ich werde mit dem Professor darüber sprechen ...»
    «Das ist ganz unnötig. Was wir hier vereinbaren, ist endgültig. Sollte mein Vater wirklich wieder bei uns zu Hause eintreffen, so wird dafür gesorgt sein, daß noch am gleichen Tage eine neue Einlieferung hier erfolgt, und zwar eines völlig betrunkenen Mannes! So würde Ihre vollständige Heilung aussehen, Herr Oberarzt, und ich stehe Ihnen dafür, daß die Folgen für Sie nicht angenehm sein würden!»
    Die beiden sahen einander durch ihre Brillengläser an.
    Aber leider war der Oberarzt ein Feigling: er senkte vor dem schamlos frechen Blick Baldurs das Auge. Er sagte:
    «Gewiß ist bei Dipsomanen, bei Trinkern, die Gefahr eines Rückfalls stets groß. Und wenn Ihr Herr Vater, wie Sie mir eben berichtet haben, schon stets getrunken hat ...»
    «Er hat seine Kneipe versoffen. Er hat alles, was meine Mutter verdient hat, versoffen. Und er würde heute noch alles, was wir vier Kinder verdienen, versaufen, wenn wir es zuließen. Mein Vater bleibt hier!»
    «Ihr Vater bleibt hier. Bis auf weiteres. Wenn Sie später, eventuell nach dem Kriege, bei einem Besuch doch den Eindruck haben sollten, daß Ihr Herr Vater sich wesentlich gebessert hat ...»
    Wieder schnitt Baldur Persicke dem Arzt das Wort ab.
    «Mein Vater wird keine Besuche mehr empfangen, weder von mir noch von meinen Geschwistern, noch von meiner Mutter. Wir wissen, er ist hier gut aufgehoben, das ge-nügt uns.» Baldur sah den Arzt durchdringend an, hielt seinen Blick fest. Während er bisher mit lauter, fast befehlender Stimme gesprochen hatte, fuhr er nun leise fort:
    «Mein Vater hat mir von gewissen grünen Spritzen gesprochen, Herr Oberarzt .»
    Der Oberarzt fuhr ein wenig zusammen.
    «Eine reine Erziehungsmaßnahme. Ganz gelegentlich bei renitenten jüngeren Patienten angewandt. Schon das Alter Ihres Vaters verbietet ...»
    Wieder wurde er unterbrochen. «Mein Vater hat bereits eine dieser grünen Spritzen bekommen ...»
    Der Arzt rief: «Das ist ausgeschlossen! Verzeihung, Herr Persicke, da muß ein Irrtum vorliegen!»
    Baldur sagte streng: «Mein Vater hat mir von dieser einen Spritze berichtet. Er erzählte mir, sie habe ihm gutgetan. Warum wird er nicht weiter so behandelt, Herr Oberarzt?»
    Der Arzt war völlig

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