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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gedauert mit euch!
    Er blinzelte, er streckte sich. Er atmete wohlig, jetzt war ihm wieder gut zumute.
    Ich werde gleich nachher nach dem Persicke sehen.
    Mehr Spritzen bekommt er jedenfalls nicht. Hoffentlich übersteht er"s. Gleich nachher sehe ich nach ihm, erst einmal will ich die schönste Wirkung genießen. Aber gleich nachher - Ehrenwort!
    56
    Otto Quangels anderer Zellengefährte Als Otto Quangel von einem Aufseher in seine neue Zelle im Untersuchungsgefängnis geführt wurde, stand ein großer Mann vom Tisch auf, an dem er lesend gesessen, und stellte sich unter das Zellenfenster, in der vorschriftsmäßigen Haltung, mit den Händen an der Hosennaht. Aber die Art, wie er diese «Ehrenbezeigung»
    ausführte, verriet, daß er sie nicht für sehr notwendig hielt.
    Der Aufseher winkte auch gleich ab. «Is ja jut, Herr Doktor», sagte er. «Da haben Sie einen neuen Zellengefährten!»
    «Schön!» sagte der Mann, der aber für Otto Quangel mit seinem dunklen Anzug, seinem Sporthemd und Schlips mehr wie ein «Herr» als wie ein Zellenkamerad aussah.
    «Schön! Mein Name ist Reichhardt, Musiker.
    Kommunistischer Umtriebe beschuldigt. Und Sie?»
    Quangel fühlte eine kühle, feste Hand in der seinen.
    «Quangel», sagte er zögernd. «Ich bin Tischler. Ich soll Hoch-und Landesverrat begangen haben.»
    «Ach, Sie!» rief der Dr. Reichhardt, der Musiker, dem Aufseher nach, der eben die Tür schließen wollte. «Von heut an wieder zwei Portionen, ja?»
    «Is ja jut, Herr Doktor!» sagte der Aufseher. «Weeß ich ja von alleene!»
    Und die Tür schloß sich. - Die beiden sahen sich einen Augenblick prüfend an. Quangel war mißtrauisch, fast sehnte er sich nach seinem Karlchen Hund im Gestapokeller zurück. Mit diesem feinen Herrn, einem richtigen Doktor, sollte er nun zusammen leben - es war ihm un-behaglich.
    Der «Herr» lächelte mit den Augen. Dann sagte er:
    «Tun Sie nur so, als wenn Sie alleine wären, wenn Ihnen das lieber ist. Ich werde Sie nicht stören. Ich lese viel, ich spiele mit mir selbst Schach. Ich treibe Gymnastik, um den Körper frisch zu erhalten. Manchmal singe ich ein wenig vor mich hin, aber nur ganz leise; es ist natürlich verboten. -Würde Sie das stören?»
    «Nein, das stört mich nicht», antwortete Quangel. Und fast wider seinen Willen setzte er hinzu: «Ich komme aus dem Bunker von der Gestapo und habe da an die drei Wochen mit einem Verrückten zusammengesperrt gelebt, der ewig nackt war und Hund spielte. Mich stört so leicht nichts mehr.»
    «Gut!» sagte der Dr. Reichhardt. «Noch schöner wäre es freilich gewesen, wenn Sie Musik ein wenig gefreut hätte.
    Es ist die einzige Art, sich hier in diesen Mauern Harmonie zu verschaffen.»
    «Davon versteh ich nichts», antwortete Otto Quangel abweisend. Und er setzte hinzu: «Es ist ein mächtig feines Haus gegen das, wo ich gewesen bin, was?»
    Der Herr hatte sich wieder an den Tisch gesetzt und sein Buch in die Hand genommen. Er antwortete freundlich:
    «Ich war da unten auch eine Weile, wo Sie gewesen sind.
    Ja, etwas besser ist es schon hier. Wenigstens wird man nicht geschlagen. Die Aufseher sind meist stumpf, aber nicht völlig verroht. Doch Gefängnis bleibt Gefängnis, das wissen Sie ja. Ein paar Erleichterungen. Ich darf zum Beispiel lesen, rauchen, mir mein eigenes Essen kommen lassen, eigene Kleidung und Bettwäsche halten. Aber ich bin ein Sonderfall, und auch eine erleichterte Haft bleibt
    Haft.
    Man muß erst so weit kommen, daß man die Gitter nicht mehr fühlt.»
    «Und sind Sie so weit?»
    «Vielleicht. Meistens. Nicht immer. Durchaus nicht immer. Wenn ich zum Beispiel an meine Familie denke, dann nicht.»
    «Ich hab nur 'ne Frau», sagte Quangel. «Hat dieses Gefängnis auch eine Frauenseite?»
    «Ja, die gibt es hier, wir sehen aber nie etwas von den Frauen.»
    «Natürlich nicht.» Otto Quangel seufzte schwer. «Meine Frau haben sie auch eingesteckt. Hoffentlich haben sie die heute auch hierhergebracht.» Und er setzte hinzu: «Sie ist zu weich für das, was sie im Bunker aushalten mußte.»
    «Hoffentlich ist sie auch hier», sagte der Herr freundlich. «Wir werden es durch den Pastor erfahren. Vielleicht kommt er noch heute nachmittag. Übrigens dürfen Sie sich auch einen Verteidiger nehmen, jetzt, da Sie hier sind.»
    Er nickte Quangel freundlich zu, sagte noch: «In einer
    Stunde gibt es Mittag», setzte die Lesebrille auf und fing an zu lesen.
    Quangel sah einen Augenblick zu ihm hin, aber der Herr wollte nicht

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