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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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«Es würde mißlingen.»
    Er verschwieg ihr, daß er, seit man ihn aus dem Untersuchungsgefängnis fortgeführt hatte, gefesselt war, mit Handschellen und einer Kette, mit Fußschellen und einer Eisenstange. Wie bei Anna hatte der Schupo ihm erst an der Tür des Verhandlungssaals diesen Schmuck abgenommen: der Staat sollte nicht um sein Schlachtopfer betrogen werden.
    «Nun gut», fand sie sich drein. «Aber du glaubst doch, Otto, daß wir zusammen hingerichtet werden?»
    «Ich weiß nicht», sagte er ausweichend. Er wollte sie nicht belügen und wußte doch, jedes würde allein sterben müssen.
    «Aber man wird uns doch zur gleichen Stunde hinrichten?»
    «Sicher, Anna, bestimmt wird man das!»
    Aber er war nicht so sicher. Er fuhr fort: «Aber denke jetzt nicht daran. Denke nur daran, daß wir jetzt stark sein müssen. Wenn wir uns schuldig bekennen, wird alles sehr schnell gehen. Wenn wir keine Ausflüchte machen und nicht lügen, haben wir vielleicht schon in einer halben Stunde unser Urteil.» «Ja, so wollen wir es machen. Aber, Otto, wenn es so schnell geht, werden wir auch schnell wieder getrennt, und vielleicht sehen wir uns nie wieder.»
    «Bestimmt sehen wir uns - vorher noch wieder, Anna.
    Das hat man mir gesagt, wir dürfen noch Abschied nehmen voneinander. Bestimmt, Anna!»
    «Dann ist es gut, Otto, dann habe ich doch was, auf das ich mich jede Stunde freuen kann. Und jetzt sitzen wir beisammen.»
    Sie saßen nur noch eine Minute beisammen, dann wurde der Fehler entdeckt, und die beiden wurden weit auseinander gesetzt. Sie mußten den Kopf wenden, um einander zu sehen. Gottlob war es der Anwalt von Frau Quangel, der den Fehler entdeckte, ein freundlicher, grauer, etwas versorgter Mann, den das Gericht als Pflichtan-walt bestellt hatte, da Quangel dabei geblieben war, kein Geld an eine so nutzlose Sache wie ihre Verteidigung zu wenden.
    Da der Anwalt den Fehler entdeckt hatte, ging es ohne alles Geschrei ab. Auch die beiden Schutzpolizisten hatten alle Ursache, den Mund zu halten, und so erfuhr der Präsident des Volksgerichtshofes, Feisler, nie, was hier Unverzeihliches geschehen war. Die Verhandlung hätte sonst wahrscheinlich noch viel länger gedauert.
    Die Hauptverhandlung: Präsident Feisler Der Präsident des Volksgerichtshofs, der höchste Richter im deutschen Lande zu jener Zeit, Feisler, hatte das Aussehen eines gebildeten Mannes. Er war, nach der Termi-nologie des Werkmeisters Otto Quangel, ein feiner Herr.
    Er wußte seinen Talar mit Anstand zu tragen, und das Barett verlieh seinem Haupt Würde, saß nicht sinnlos angeklebt darauf wie auf vielen andern Köpfen. Die Augen waren klug, aber kalt. Er hatte eine hohe, schöne Stirn, aber der Mund war gemein, dieser Mund mit den harten, grausamen und doch wollüstigen Lippen verriet den Mann, einen Lüstling, der alle Genüsse dieser Welt gesucht hatte, und der stets andere dafür hatte zahlen lassen.
    Und die Hände mit ihren langen knotigen Fingern waren gemein, Finger wie die Krallen eines Geiers - wenn er eine besonders verletzende Frage stellte, so krümmten sich diese Finger, als wühlten sie im Fleisch des Opfers.
    Und seine Art zu sprechen war gemein: dieser Mann konnte nie ruhig und sachlich sprechen, er hackte auf seine Opfer los, er beschimpfte sie, er sprach mit schneiden-der Ironie. Ein gemeiner Mensch, ein schlechter Mensch.
    Seitdem Otto Quangel die Anklage zugestellt worden war, hatte er manches Mal mit Dr. Reichhardt, seinem Freunde, über diese Hauptverhandlung gesprochen. Auch der kluge Dr. Reichhardt war der Ansicht gewesen, da das Ende doch unabänderlich sei, solle Quangel von vornherein alles zugestehen, nichts vertuschen, nie lügen. Das würde diesen Leuten den Wind aus den Segeln nehmen, sie würden nicht lange mit ihm herumschimpfen können.
    Die Verhandlung würde dann nur kurz sein, man würde bestimmt auf eine Zeugenvernehmung verzichten.
    Es war eine kleine Sensation, als beide Angeklagte auf die Frage des Vorsitzenden, ob sie sich im Sinne der Anklage schuldig bekennten, mit einem einfachen «Ja» antworteten. Denn mit diesem Ja hatten sie sich selbst das Todesurteil gesprochen und jede weitere Verhandlung unnötig gemacht.
    Einen Augenblick stutzte auch der Präsident Feisler, überwältigt von diesem kaum je gehörten Geständnis.
    Aber dann besann er sich. Er wollte seine Verhandlung haben. Er wollte diese beiden Arbeiter im Dreck sehen, er wollte sie sich winden sehen unter seinen messerscharfen Fragen. Dieses

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