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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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unsittlichen Beziehungen gewußt, und Sie haben sie geduldet! Das nennen Sie dann: nicht so genau hinsehen. Aber das Strafgesetzbuch nennt es schwere Kuppelei, und eine Mutter ist schändlich und völlig verworfen, die so etwas duldet!»
    «So, ist sie das? Na, dann möchte ich wohl wissen», sagt Anna Quangel ganz ohne Angst und mit fester Stimme,
    «dann möchte ich wohl wissen, wie das Strafgesetzbuch das nennt, was der Bubi-drück-mich-Verein tut?»
    Lebhaftes Lachen .
    «Und was die SA ausfrißt mit ihren Mädchen ...» Das Lachen bricht ab.
    «Und die SS - sie erzählen ja, die SS schändet die Judenmädchen erst und schießt sie hinterher tot ...»
    Einen Augenblick Totenstille ...
    Aber dann bricht der Tumult los. Sie schreien. Welche von den Zuhörern klettern über die Schranken und wollen auf die Angeklagte eindringen.
    Otto Quangel ist aufgesprungen, bereit, seiner Frau zu Hilfe zu eilen ...
    Der Schutzpolizist aber und die fehlenden Hosenträger behindern ihn.
    Der Präsident steht da und gebietet heftig, aber vergeblich Ruhe.
    Die Beisitzer reden laut miteinander.
    Der Ankläger Pinscher kläfft und kläfft, und niemand versteht ein Wort ...
    Schließlich wird Anna Quangel aus dem Saal geschleppt, der Lärm beruhigt sich wieder, der Gerichtshof zieht sich zur Beratung zurück ...
    In fünf Minuten erscheint er wieder:
    «Die Angeklagte Anna Quangel ist von der Teilnahme an der Verhandlung gegen sie ausgeschlossen. Sie bleibt von jetzt an in Fesseln. Dunkelarrest bis auf weiteres.
    Wasser und Brot nur jeden zweiten Tag.»
    Die Verhandlung geht weiter.
    63
    Die Hauptverhandlung: Zeuge Ulrich Heffke Der Zeuge Ulrich Heffke, dieser Qualitätsarbeiter, der bucklige Bruder Anna Quangels, hat schwere Monate hinter sich. Der tüchtige Kommissar Laub hatte ihn mit seiner Frau gleich nach der Festnahme der Quangels verhaftet, ohne jeden stichhaltigen Verdacht, nur weil er ein Verwandter der Quangels war.
    Von da an hatte Ulrich Heffke in Angst gelebt. Dieser sanfte Mensch mit einem schlichten, einfachen Geist, der sein Lebtag allem Streit aus dem Wege gegangen war, war von dem Sadisten Laub verhaftet worden, gequält, angeschrien, geschlagen. Man hatte ihn hungern lassen, gede-mütigt, kurz, er war mit allen teuflischen Künsten gemartert worden.
    Darüber war der Geist des Buckels völlig verwirrt. Er hatte nur ängstlich gelauscht, was seine Quäler hören wollten, und er hatte dann besinnungslos auch die ihn be-lastenden Geständnisse abgelegt, deren Widersinn ihm doch sofort bewiesen wurde.
    Und von neuem hatte man ihn gemartert, in der Hoffnung, von dem kleinen Buckel doch noch ein neues, bisher unbekannt gebliebenes Verbrechen zu erfahren. Denn Kommissar Laub handelte nach dem Satz dieser Zeiten: Jeder hat was ausgefressen. Man muß nur lange genug suchen, so findet man auch was.
    Laub wollte und wollte es nicht glauben, daß er auf einen Deutschen gestoßen war, der kein Parteimitglied war, und der trotzdem nie einen ausländischen Sender abgehört, keine defätistische Flüsterpropaganda getrieben, nie eine Lebensmittelverordnung übertreten hatte. Laub sagte es dem Heffke auf den Kopf zu, daß er die Karten am Nollendorfplatz für seinen Schwager eingesteckt habe.
    Heffke gab es zu - und nach drei Tagen konnte es ihm Laub beweisen, daß er, Ulrich Heffke, die Karten unmöglich eingesteckt haben konnte.
    Kommissar Laub beschuldigte den Heffke nun des Verrates von Betriebsgeheimnissen in der optischen Fabrik, in der er arbeitete. Heffke gestand, und nach einer Woche mühsamer Ermittlungen konnte Laub feststellen, daß es in dieser Fabrik gar keine Geheimnisse zu verraten gab; niemand wußte dort, für welche Waffe eigentlich die Ein-zelteile, die man dort herstellte, bestimmt waren.
    Jedes falsche Geständnis mußte Heffke teuer bezahlen, aber das machte ihn nur verschreckter, nicht klüger. Er gestand blindlings, nur um Ruhe zu haben, einem weiteren Verhör zu entrinnen, er unterschrieb jedes Protokoll.
    Er hätte sein eigenes Todesurteil unterschrieben. Er war nichts wie Gallert, ein Häufchen Angst, das schon beim ersten Wort zu zittern anfing.
    Kommissar Laub war schamlos genug, diesen Unglücksmenschen zusammen mit den Quangels in die Untersuchungshaft überführen zu lassen, obwohl nicht eines der Protokolle eine Beteiligung Heffkes an den «Verbrechen» der Quangels bewies. Sicher war sicher, mochte der Untersuchungsrichter sehen, ob er nicht doch etwas Belastendes aus dem Heffke herausbekam. Ulrich

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