ermahnen, zur Sache zu sprechen.
Präsident Feisler mahnte den Anwalt, zur Sache zu sprechen.
Der Anwalt wandte ein, er spreche zur Sache.
Nein, er spreche nicht zur Sache. Es handle sich um Hoch-und Landesverrat, nicht um Schizophrenie und Ir-resein.
Wieder wandte der Anwalt ein: Wenn der Herr Ankläger berechtigt sei, die moralische Minderwertigkeit seiner Mandantin zu beweisen, so sei er berechtigt, über Schizophrenie zu sprechen. Er bitte um Gerichtsbeschluß.
Der Gerichtshof zog sich zur Beschlußfassung über den Antrag des Verteidigers zurück. Dann verkündete Präsident Feisler: «Weder in der Voruntersuchung noch in der heutigen Verhandlung haben sich irgendwelche Anzeichen für eine geistige Störung der Anna Quangel ergeben.
Der Fall ihres Bruders Ulrich Heffke kann nicht als beweiskräftig herangezogen werden, da über den Zeugen Heffke noch kein gerichtsärztliches Gutachten vorliegt. Es ist sehr wohl möglich, daß es sich bei dem Ulrich Heffke um einen gefährlichen Simulanten handelt, der seiner Schwester nur Hilfestellung leisten wolle. Es wird der Verteidigung aufgegeben, sich an die Tatsachen des Hoch-und Landesverrates zu halten, wie sie in der heutigen Verhandlung zutage getreten sind ...»
Triumphierender Blick des Anklägers Pinscher zu dem versorgten Anwalt. Und trüber Gegenblick des Anwalts.
«Da es mir vom hohen Gerichtshof untersagt ist», begann der Anwalt Anna Quangels von neuem, «auf den Geisteszustand meiner Mandantin einzugehen, so überspringe ich alle die Punkte, die für eine verminderte Zurechnungsfähigkeit sprechen: ihre Beschimpfung des eigenen Gatten nach dem Tode des Sohnes, ihr oft seltsames, fast geistesgestört anmutendes Verhalten ...»
Dr. Pintscher kläfft los: «Ich erhebe schreienden Protest dagegen, wie der Verteidiger der Angeklagten das Verbot des Gerichtes umgeht. Er überspringt die Punkte und hebt sie um so nachdrücklicher hervor. Ich beantrage Gerichtsbeschluß!»
Wiederum zieht sich der Gerichtshof zurück, und bei seinem Wiedererscheinen verkündet der Präsident Feisler bitterböse, daß der Anwalt wegen Übertretung eines Gerichtsbeschlusses zu einer Geldstrafe von 500 Mark verurteilt sei. Für den Fall einer Wiederholung wird der Wort-entzug angedroht.
Der graue Anwalt verbeugt sich. Er sieht sorgenvoll aus, als plage ihn der Gedanke, wie er diese 500 Mark zusammenbringen solle. Er beginnt zum drittenmal seine Rede.
Er bemüht sich, die Jugend Anna Quangels zu schildern, die Dienstmädchenjahre, dann die Ehe an der Seite eines Mannes, der ein kalter Fanatiker sei, ein ganzes Frauenleben: «Nur Arbeit, Sorge, Verzicht, Sichfügen in einen harten Mann. Und dieser Mann beginnt plötzlich, Karten hochverräterischen Inhalts zu schreiben. Es ist aus der Verhandlung klar erwiesen, daß es der Mann war, der auf diesen Gedanken kam, nicht die Frau. Alle gegenteiligen Behauptungen meiner Mandantin in der Voruntersuchung sind als fehlgeleiteter Opferwille aufzufassen ...»
Der Anwalt ruft: «Was sollte Frau Anna Quangel gegen den verbrecherischen Willen ihres Gatten tun? Was konnte sie tun? Ein Leben voller Dienstbarkeit lag hinter ihr, sie hatte nur Gehorchen gelernt, nie Widerstand geleistet.
Sie war ein Geschöpf ihres Mannes, sie war ihm hörig ...»
Der Ankläger sitzt mit gespitzten Ohren da.
«Hoher Gerichtshof! Die Tat, nein, die Beihilfe zur Tat durch eine solche Frau kann nicht voll bewertet werden.
Wie man einen Hund nicht bestrafen kann, der auf Befehl seines Herrn in einem fremden Revier Hasen fängt, so ist diese Frau nicht voll für ihre Beihilfe verantwortlich zu machen. Sie hat - auch aus diesem Grunde - den Schutz des Paragraphen 51, Absatz 2, hinter sich ...»
Der Ankläger unterbricht wieder. Er kläfft los, der Anwalt habe wiederum das Verbot des Gerichtshofes übertreten.
Der Verteidiger widerspricht.
Der Ankläger liest ab, von einem Block: «Nach dem Stenogramm hat die Verteidigung folgendes gesagt: Sie hat - auch aus diesem Grunde - den Schutz des Paragraphen 51, Absatz 2.
Die Worte
beziehen sich ganz klar auf die von der Verteidigung behauptete Geisteskrankheit der Familie Heffke. Ich beantrage Gerichtsbeschluß!»
Präsident Feisler befragt den Verteidiger, worauf er die Worte «Auch aus diesem Grunde» bezogen habe?
Der Anwalt erklärt, diese Worte hätten sich auf im weiteren Verlauf seiner Verteidigung zu entwickelnde Grün-de bezogen.
Der Ankläger schreit, niemand beziehe sich in