Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
gut entwickelt und was weniger. Dabei kommt es auf Erfahrungen, Anregungen, Ermutigung und Belohnung an, die ein Kind macht, also auf die Signale, die im Gehirn empfangen und ausgewertet werden.
Welche Nervenzellen und welche Verknüpfungsangebote später wirklich gebraucht und deshalb stabilisiert werden, entscheidet sich also in Abhängigkeit davon, wie und wofür das Gehirn tatsächlich benutzt wird.
Die ersten Signale, die in den zuerst herausgeformten, älteren Bereichen des Gehirns eintreffen, kommen aus dem eigenen Körper: Auf diese Weise » lernt« das Gehirn des ungeborenen Kindes anhand der aus seinem Körper » nach oben« weitergeleiteten Signalmuster, welche der im Überschuss bereitgestellten Nervenzellen und Nervenzellverknüpfungen tatsächlich » gebraucht« und regelmäßig aktiviert werden. Und es » lernt« dabei auch, welche Antwortmuster geeignet sind, diese Signale so zu verarbeiten, dass es zu keinen Störungen der weiteren Entwicklung innerhalb des Körpers oder des Gehirns kommt. Diese Netzwerke werden stabilisiert und bleiben erhalten. Der Rest wird wieder abgebaut und verschwindet.
So kommt jedes Kind als unverwechselbares Wesen auf die Welt. Mit einem Gehirn, das genau zu seinem Körper passt. Das optimal darauf vorbereitet ist, auf alles gut reagieren zu können, was in und mit seinem Körper passiert. Und mit dessen Hilfe es auch fähig ist, eine gute Beziehung zur Mutter aufzubauen. Die Herausbildung einer solchen Sicherheit bietenden Bindung ist entscheidend dafür, dass ein Neugeborenes die von ihm mitgebrachte und in seinem Gehirn angelegte Offenheit für alle möglichen Erfahrungen nicht verliert. Sicher gebundene Kinder erkennt man nicht daran, dass sie am Rockzipfel der Mutter hängen. Sondern daran, wie sie aufmerksam und interessiert die kleinen und großen Dinge um sich herum entdecken und studieren. Wie sie Codes entschlüsseln, Geheimnisse aufdecken, das Leben lernen. Immer in der Gewissheit, dass ihnen jemand zur Seite steht und Hilfe bietet.
Um den Umgang mit Gefühlen zu lernen und Vertrauen zu entwickeln, müssen Kinder die Erfahrung machen: Ich bin wichtig. Dieses Lernen gelingt nur im Schutz einer liebevollen Beziehung. Kleine Kinder suchen immer wieder nach Bestätigung, dass gut ist, was sie tun. So ermutigt, wagen sie den nächsten Schritt. Ein Baby von drei bis sechs Monaten braucht die Sicherheit der mütterlichen Rückmeldung innerhalb einer Sekunde. Wird ein fragender Blick nicht erwidert, wendet sich das Kind ab.
Jede neue Entdeckung, jede neue Erkenntnis und jede neue Fähigkeit lösen im Gehirn von Kindern einen für uns Erwachsene kaum noch nachvollziehbaren Sturm der Begeisterung aus. Diese Begeisterung über sich selbst und über all das, was es noch zu entdecken gibt, ist der wichtigste » Treibstoff« für die weitere Entwicklung des Gehirns. Sicher gebundene Kinder erleben jeden Tag ganze Serien solcher Begeisterungsstürme. Sie sind hingerissen von neuen Erlebnissen und überwältigt von dem, was ihnen mit jedem Tag besser gelingt. Wenn ihnen eine Entdeckung unter die Haut geht, werden die emotionalen Zentren im Mittelhirn aktiviert. Dann setzen diese Zellgruppen vermehrt sogenannte neuroplastische Botenstoffe frei. Sie wirken wie Dünger auf die in diesem Zustand der Begeisterung aktivierten neuronalen Netzwerke. Sie bringen die Nervenzellen dazu, all jene Eiweiße vermehrt herzustellen, die für das Auswachsen neuer Fortsätze und für die Neubildung und Stabilisierung von Nervenzellkontakten gebraucht werden. Deshalb lernt jedes Kind all das besonders gut, was Begeisterung bei ihm auslöst. Und Begeisterung entsteht nur, wenn etwas wichtig ist für das Kind. Wenn es das Kind wirklich interessiert, weil es für das Kind bedeutsam ist. So einfach ist das mit der Begeisterung am eigenen Entdecken.
Und doch ist diese Begeisterungsfähigkeit von Kindern umso schwerer aufrechtzuerhalten, je älter sie werden. Das liegt nicht nur daran, dass sie mit der Zeit immer mehr bereits entdeckt und kennengelernt haben. Ein zusammengeknülltes Stück Papier ist eben nur so lange interessant, wie ein Kind noch nicht weiß, was es ist. Solange es noch intensiv untersucht, auseinandergefaltet, zerrissen und zerkaut werden kann, um herauszufinden, wie es beschaffen ist. Später wird dann auch spannend, wofür dieses Stück Papier verwendet werden kann. Normalerweise würde diese spielerische Erkundung der Welt so immer weitergehen. Aber allzu oft wird dieser
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