Jedes Kind kann richtig essen
Regeln am Esstisch bestimmen.
Wenn Eltern Druck ausüben oder mit Tricks arbeiten, halten sie sich nicht an die Spielregel. Sie »mogeln«.
Sie versuchen, Essen in ihr Kind hineinzubekommen. Ihre Aufgabe ist esaber lediglich, das Essen auszuwählen und auf den Tisch zu stellen. Damit ist ihr Job erledigt.
Sie bringen das Essen auf den Tisch – aber Sie zwingen es nicht in Ihr Kind hinein!
In manchen Ausnahmesituationen ist es besonders schwer, sich an diese Regel zu halten. Aber auch dann gilt sie. Dazu passt die Geschichte der vierjährigen Maria. Die Geschichte ist ungewöhnlich, denn Maria ist ein ungewöhnliches Mädchen, das zu extremen Reaktionen neigt.
Maria aß eines Tages eine Möhre und verschluckte sich sehr schlimm.
Sie hatte zwar keine Atemnot, aber Panik: Ein größeres Stück war wohl in der Speiseröhre stecken geblieben. Es tat sehr weh, Maria weinte, hatte Herzrasen und einen Schweißausbruch und übergab sich. Eine Woche später verschluckte sie sich an einem Brötchen. Eigentlich war es diesmal nicht so schlimm, aber sie reagierte mit ähnlicher Panik.
Von da an wollte Maria nichts Festes mehr essen – nichts, was sie kauen musste.
Nach und nach lehnte Maria immer mehr ab. Sie aß nichts Zerdrücktes mehr, nur noch Püriertes. Am Wochenende, wenn der Vater zu Hause war, wurde es regelmäßig noch schlimmer. Er wollte unter allen Umständen, dass sie etwas aß. Er machte ihr Babyfläschchen fertig und lief damit hinter ihr her. Ihre Mutter pürierte ihr sogar Suppen. Aber es wurde immer schlimmer. Maria nahm zwei Kilogramm ab.
Sie weigerte sich zuletzt sogar, ihre eigene Spucke hinunterzuschlucken!
Anfangs war es sehr verständlich gewesen, dass Maria Probleme mit dem Essen hatte. Aber je mehr die Eltern sich anstrengten, sie zum Essen zu bewegen, desto schlimmer wurde es. Als es nicht mehr schlimmer werden konnte, hatte die Mutter die rettende Idee. Zu jeder Mahlzeit musste Maria sich mit an den Tisch setzen. Zu jeder Mahlzeit gab es ein normales Angebot, dabei war immer auch eine pürierte Suppe. Wenn Maria anfing zu weinen »Ich kann nichts essen«, gab ihre Mama liebevoll, aber konsequent jedes Mal dieselbe Antwort: »Es ist etwas dabei, was du essen kannst.«
Mehr sagte sie nicht. Sie übte keinen Druck mehr aus. Es ging wochenlang so. Zuerst fing Maria bei Freunden oder Verwandten an, wieder feste Nahrung zu sich zu nehmen. Ganz allmählich tat sie es auch zu Hause.
Mittlerweile isst sie wieder alles. Das Thema ist vom Tisch. Den Gewichtsverlust hat Maria innerhalb kurzer Zeit ausgeglichen und sogar noch etwas zugelegt.
Druck wirkt auch bei Babys nicht
Wenn Sie noch daran zweifeln, dass Druck nicht funktioniert, möchten wir Sie gern überzeugen. Wir stellen Ihnen deshalb noch eine wissenschaftliche Untersuchung vor, die Peter Wright 1980 mit kleinen Säuglingen und ihren Müttern gemacht hat. Er unterteilte seine »Versuchsbabys« in Gruppen: Die einen wurden gestillt, die anderen bekamen die Flasche. In beiden Gruppen gab es Babys, die bei ihrer Geburt besonders leicht waren, und Babys mit normalem Gewicht.
Wright fand heraus: Alle gestillten Babys nahmen gleich gut zu, egal ob sie bei der Geburt leicht oder normal waren. Bei den »Flaschenbabys« war das Ergebnis anders: Die bei der Geburt besonders Zarten wurden von ihren Müttern häufiger besonders aktiv und »mit Druck« gefüttert. Zum Beispiel wurde der Sauger in den Mund geschoben, auch wenn das Baby den Kopf wegdrehte. Und je aktiver die Mütter waren, desto weniger tranken ihre Babys.
Mit anderen Worten: Mütter mit einem zarten, leichten Baby waren besorgt, ihr Kind sei »zu dünn«. Sie wollten ihrem Kind dabei helfen, besser zu gedeihen, und sie übten Druck aus. Beim Stillen war das nicht möglich. Hier können Mütter keinen Druck ausüben, selbst wenn sie es wollten. Beim Fläschchengeben war es dagegen möglich. Aber es funktionierte nicht. Im Gegenteil: Die Kinder wehrten sich und tranken weniger.
Wer ein zartes oder früh geborenes Baby hat und nicht stillt, kommt recht schnell in Versuchung, beim Füttern zu viel zu tun und Druck auszuüben.
Es ist verständlich, aber es wirkt nicht.
Auch ein leichtes, früh geborenes Kind kann am besten selbst regeln, wie viel es braucht.
→ Warum Eltern zu viel tun
Dass das Stillen sich positiv auswirkt, auch weil dabei kein Druck ausgeübt werden kann, passt zu unserer im ersten Kapitel vorgestellten Untersuchung (siehe ab > ). Es zeigte sich: Fast alle
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