Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
Motor des Fahrzeugs, das Amelia gestohlen hatte. Fünf, vier, drei... Fertig, sagte sie sich. Dann ertönte ein lautes Krachen von der Vorderseite des Gebäudes, als Mason die Tür eintrat.
»Polizei!«, rief er.
»Keine Bewegung!« Los, dachte sie. Lucy trat die Seitentür auf. Doch sie bewegte sich nur ein paar Zentimeter - stieß dann gegen einen großen Rasentraktor, der unmittelbar dahinter stand, und ging nicht weiter auf. Sie rammte mit der Schulter dagegen, doch die Tür gab nicht nach.
»Mist«, flüsterte sie und rannte zur Vorderseite der Scheune. Bevor sie um die Ecke bog, hörte sie Masons lauten Ruf.
»Herrgott«. Dann fiel ein Schuss. Und kurz darauf ein zweiter.
»Was geht da vor?«, wollte Rhyme wissen. Bell war am Telefon.
»Okay«, sagte er unsicher. Etwas an seiner Haltung beunruhigte Rhyme - der Sheriff hatte das Telefon ans Ohr gedrückt, den anderen Arm abgewinkelt und die Faust geballt. Er nickte, während er zuhörte. Blickte dann zu Rhyme.
»Dort sind Schüsse gefallen.«
»Schüsse?«
»Mason und Lucy sind in die Scheune rein. Jesse hat gesagt, es sind zwei Schüsse gefallen.« Er blickte auf.
»Schickt den Krankenwagen rüber zum Haus der Hallburtons«, rief er ins Nebenzimmer.
»Badger Hollow Road, an der Route 112.«
»Ist schon unterwegs«, rief Steve Farr zurück. Rhyme drückte den Kopf an die Nackenstütze des Rollstuhls. Warf einen Blick auf Thom, der nichts sagte. Wer hatte geschossen? Wer war getroffen worden? Ach, Sachs...
»Nun schau schon nach, Jesse«, sagte Bell mit scharfer Stimme.
»Hat's jemand erwischt? Was, zum Teufel, geht da vor?«
»Ist mit Amelia alles in Ordnung?«, rief Rhyme.
»In einer Minute wissen wir's«, sagte Bell. Doch es kam ihm vor wie Tage. Schließlich straffte sich Bell wieder, als Jesse oder jemand anders ans Telefon kam. Er nickte.
»Herrgott, er hat was gemacht?« Er hörte wieder einen Moment lang zu, wandte sich dann an Rhyme, der ihn aufgeregt anschaute.
»Alles in Ordnung. Niemand verletzt. Mason hat die Scheunentür eingetreten und ein paar Latzhosen an der Wand hängen sehen. Ein Rechen, eine Schaufel oder irgendwas anderes war davor. Es war ziemlich dunkel. Er hat gedacht, es wäre Garrett mit einer Waffe. Hat zweimal geschossen. Das ist alles.«
»Amelia ist unversehrt?«
»Die waren gar nicht dort. Bloß der Pick-up, den sie gestohlen haben, stand drin. Garrett und Amelia müssen im Haus gewesen sein, aber vermutlich haben sie die Schüsse gehört und sich in den Wald verzogen. Allzu weit können sie nicht gekommen sein. Ich kenn das Grundstück rundum nichts als Sumpf.«
»Ich möchte, dass Mason abgezogen wird«, sagte Rhyme aufgebracht.
»Das war kein Irrtum - er hat absichtlich geschossen. Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass er zu hitzköpfig ist.« Bell war offensichtlich einverstanden.
»Jesse«, sagte er ins Telefon,
»gib mir Mason.« Er schwieg einen Moment.
»Mason, was, zum Teufel, soll das Ganze?... Warum hast du geschossen? ...Na ja, und was ist, wenn Pete Hallburton dort gestanden hätte? Oder seine Frau oder ein Kind?... Ist mir egal. Du kommst sofort hierher. Das ist ein Befehl... Na, dann lass sie das Haus durchsuchen. Setz dich in deinen Streifenwagen und komm zurück... Ich sag's dir nicht noch mal. Ich -«
»Scheiße«. Bell legte auf. Kurz darauf klingelte das Telefon erneut.
»Lucy, was gibt's?...« Der Sheriff hörte zu, runzelte die Stirn, schaute zu Boden. Er ging auf und ab.
»Ach, du lieber Gott... Bist du sicher?« Er nickte.
»Okay, bleib dort«, sagte er dann.
»Ich ruf zurück.« Er legte auf.
»Was ist passiert?« Bell schüttelte den Kopf.
»Ich glaub's nicht. Wir sind reingelegt worden. Sie hat uns an der Nase rumgeführt, Ihre Freundin.«
»Was?«
»Pete Hallburton ist daheim«, sagte Bell.
»In seinem Haus. Lucy und Jesse haben gerade mit ihm geredet. Seine Frau hat Spätschicht, arbeitet von drei bis elf drüben in Davetts Firma. Sie hat ihr Abendbrot vergessen, und er hat's ihr vor einer halben Stunde vorbeigebracht und ist wieder heimgefahren.«
»Er ist heimgefahren? Haben sich Amelia und Garrett im Kofferraum versteckt?« Bell seufzte missmutig.
»Er hat einen Pick-up. Da kann man sich nicht verstecken. Jedenfalls nicht die zwei. Aber für ihr Handy war massenhaft Platz. Hinter der Kühlbox auf der Ladefläche.« Rhyme lachte gallig auf.
»Sie hat bei der Mietwagenfirma angerufen, wurde auf Warteschleife gestellt und hat das Telefon auf dem Lastwagen
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