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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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umgekommen waren, als sie übers Meer nach Hatteras fuhren, oder getötet wurden, als sie dort ankamen, doch es gab keinerlei Beweise dafür, dass sie dort jemals gelandet waren. Mary Beth war mehrmals auf Roanoke gewesen und hatte sich das nach den tatsächlichen Begebenheiten inszenierte Historien-spiel angesehen, das dort in einem kleinen Theater aufgeführt wurde. Das Stück hatte sie bewegt - aber auch erschauern lassen. Doch sie dachte nicht weiter über die Geschichte nach, bis sie älter war und an der University of North Carolina in Avery studierte, wo sie sich eingehend mit der verschollenen Kolonie beschäftigte. Ein Aspekt dieser Geschichte, der bezüglich des Schicksals der Kolonisten ungeklärte Fragen aufwarf, betraf ein Mädchen namens Virginia Dare und die Sage von der weißen Hindin. Es war eine Geschichte, die Mary Beth McConnell - ein Einzelkind, ein Freigeist und ziemlich zielstrebig - durchaus nachvollziehen konnte. Virginia Dare war das erste englische Kind, das in Amerika zur Welt kam. Sie war die Enkelin von Gouverneur White und eine der verschollenen Kolonisten. Vermutlich, so stand es in den Geschichtsbüchern, war sie mit den anderen auf dem Weg nach oder auf Hatteras selbst umgekommen. Doch als Mary Beth weiter nachforschte, fand sie heraus, dass unter den Briten, die sich kurz nach dem Verschwinden der Kolonisten am östlichen Küstensaum niederließen, allmählich die ersten Sagen über die verschollene Kolonie entstanden. Einer dieser Legenden zufolge waren die Kolonisten nicht umgekommen, sondern hatten noch eine Zeit lang unter den einheimischen Stämmen gelebt. Virginia Dare wuchs zu einer wunderschönen jungen Frau heran - blond und hellhäutig, willensstark und selbständig. Ein Medizinmann verliebte sich in sie, doch sie wies ihn ab, worauf sie wenig später verschwand. Der Medizinmann behauptete, er habe ihr nichts zu Leide getan, aber weil sie seine Liebe nicht erwiderte, habe er sie in eine weiße Hirschkuh verwandelt. Natürlich glaubte ihm niemand, aber bald darauf sahen die Menschen in der Gegend eine prächtige weiße Hirschkuh, der allem Anschein nach sämtliche Tiere des Waldes folgten. Aus Furcht vor den offenbar übernatürlichen Kräften der Hirschkuh traten die Stammesmitglieder zum Wettstreit an, um ihrer habhaft zu werden. Ein junger Krieger vermochte sie aufzuspüren und schoss aus schier aussichtsloser Entfernung einen Pfeil mit einer silbernen Spitze auf sie ab. Er durchbohrte ihre Brust, und als sie sterbend am Boden lag, blickte sie mit erschreckend menschlichen Augen zu dem Jäger auf.
    »Wer seid Ihr?«, stammelte er.
    »Virginia Dare«, wisperte die Hirschkuh und starb. Mary Beth hatte den Entschluss gefasst, sich tiefer mit der Geschichte von der weißen Hindin zu befassen. Tage und Nächte lang saß sie in den Archiven der UNC in Chapel Hill und an der Duke University, las alte Tagebücher und Aufzeichnungen aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert und fand eine ganze Reihe von Hinweisen auf
    »weiße Hirsche« und geheimnisvolle
    »weiße Tiere«, die im Nordosten von North Carolina umgingen. Doch weder auf Roanoke noch auf Hatteras wurden sie jemals gesichtet. Gesehen hatte man sie indes an
    »den Gestaden des schwarzen Wassers, dorten der Schlangenfluss vom Großen Sumpf aus gen Westen fließt«. Mary Beth wusste um die Bedeutung von Sagen, wusste, dass selbst die fantastischsten Geschichten oftmals einen wahren Kern enthielten. Womöglich, so folgerte sie, hatten die verschollenen Kolonisten aus Angst vor einem Angriff der einheimischen Stämme das Wort
    »Croatoan« hinterlassen, um ihre Feinde in die Irre zu führen, und sich nicht nach Süden, sondern nach Westen abgesetzt und an den Ufern des Paquenoke angesiedelt, der sich -jawohl! - in zahllosen Windungen dahinschlängelte: in der Nähe von Tanner's Corner, an der Stelle, die heute Blackwater Landing hieß, benannt nach dem schwarzen Wasser, das aus dem Sumpf strömte. Dort waren sie immer zahlreicher und mächtiger geworden, bis die Indianer, die sich durch sie bedroht fühlten, über sie herfielen und ausnahmslos töteten. Und Virginia Dare, so hatte Mary Beth die Sage ihrerseits gedeutet, war möglicherweise eine der letzten Überlebenden gewesen, die bis zum bitteren Ende gekämpft hatte. Na ja, das war jedenfalls ihre Meinung, aber Mary Beth hatte keinerlei Beweise gefunden, die diese Theorie hätten untermauern können. Tagelang hatte sie mit alten Karten die Gegend rund um

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