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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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Blackwater Landing durchstreift und sich überlegt, wo genau die Kolonisten gelandet sein könnten, wo sie ihre Siedlung gebaut haben könnten. Letzte Woche dann, als sie am Ufer des Paquo entlanggelaufen war, hatte sie endlich einen Hinweis auf die verschollene Kolonie gefunden. Sie musste daran denken, wie entsetzt ihre Mutter gewesen war, als sie ihr erzählt hatte, dass sie in Blackwater Landing Ausgrabungen durchführen wollte.
    »Doch nicht dort«, hatte die pummelige Frau gezetert, so als wäre sie selbst in Gefahr.
    »Dort bringt der Insektenjunge die Leute um. Er wird dich finden, er wird dir was antun.«
    »Mutter«, hatte sie unwirsch entgegnet,
    »du benimmst dich genauso unvernünftig wie die Arschlöcher in der Schule, die ihn ständig ärgern.«
    »Du hast schon wieder dieses Wort benutzt. Ich habe dich ausdrücklich darum gebeten, es nicht zu tun. Das A-Wort.«
    »Mama, komm schon - du klingst ja wie eine Kanzelschwalbe.« Sie meinte damit jene Gemeindemitglieder, die stets in der vordersten Kirchenbank saßen und sich Sorgen um ihre Moral machten - oder, was ihnen eher zuzutrauen war, um die Moral ihrer Mitmenschen.
    »Schon der Name ist gruselig«, murmelte Sue McConnell.
    »Blackwater.« Und Mary hatte ihr erklärt, dass es in North Carolina dutzende von Gewässern namens Blackwater gab. Jeder Fluss, der aus dem Sumpfland strömte, wurde als schwarzes Wasser bezeichnet, weil er von den Ablagerungen vermodernder Pflanzen dunkel gefärbt war. Und der Paquenoke wurde vom Great Dismal Swamp und den umliegenden Mooren gespeist. Doch ihre Mutter hatte sich nicht beruhigen lassen.
    »Bitte, geh nicht dorthin, mein Schatz.« Dann hatte sie ihrerseits einen Pfeil mit silberner Spitze abgeschossen.
    »Wenn dir irgendwas passiert, jetzt, wo dein Vater nicht mehr da ist, hätte ich niemanden mehr... Ich stünde allein da. Ich wüsste überhaupt nicht, was ich machen sollte. Das willst du doch nicht.« Doch Mary Beth, vom Forschergeist getrieben, der Entdecker und Wissenschaftler seit jeher beflügelte, hatte ihre Bürsten, ihre Sammelgläser und -tüten und einen Spaten eingepackt und war gestern Morgen in der feuchten, drückenden Hitze losgezogen, um ihre Ausgrabungen fortzusetzen. Und was war passiert? Sie war von dem Insektensammler überfallen und entführt worden. Ihre Mutter hatte Recht behalten. Nun, da sie in dieser heißen, ekelhaften Hütte saß, von Schmerzen und Übelkeit geplagt, halb von Sinnen vor Durst, musste sie an ihre Mutter denken. Nachdem ihr Mann vom Krebs dahingerafft worden war, war ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten. Sie hatte alles aufgegeben, ihre Freunde, die ehrenamtliche Mitarbeit im Krankenhaus, hatte jeglichen Lebensmut verloren und versuchte nicht einmal mehr den Anschein von Normalität zu wahren. Mary Beth hatte die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen müssen, während ihre Mutter sich treiben ließ, tagtäglich vor dem Fernseher saß und sich von Fertigkost ernährte. Aufgedunsen, teilnahmslos und hilfsbedürftig wie ein kleines Kind. Doch Mary Beth hatte von ihrem Vater gelernt - im Leben wie auch durch seinen qualvollen Tod -, dass man dem Weg folgen muss, den das Schicksal weist, und sich von niemandem davon abbringen lassen darf. Mary Beth hatte ihre Ausbildung nicht abgebrochen, als ihre Mutter sie darum gebeten hatte, und sich keinen Job in ihrer Nähe besorgt. Sie hatte sorgfältig abwägen müssen: hier die Bedürfnisse ihrer Mutter, die auf Unterstützung angewiesen war, dort ihre eigenen - der Wunsch, ihr Diplom zu machen und sich dann, wenn sie ihr Studium abgeschlossen hatte, ernsthaft der Forschung zu widmen, der Erkundung der amerikanischen Anthropologie. Wenn sich zufällig etwas in der Nähe ergeben sollte, na schön. Aber wenn sie auf den Spuren der amerikanischen Ureinwohner nach Santa Fe, zu Eskimo-Ausgrabungen nach Alaska oder zur Erkundung afroamerikanischer Geschichte nach Manhattan musste, war sie auch dazu bereit. Sie war stets für ihre Mutter da, aber sie musste auch an ihr eigenes Leben denken. Und ausgerechnet jetzt, da sie eigentlich in Blackwater Landing weitere Beweise ausgraben und sammeln, sich mit ihrem Tutor besprechen und ihre Themenvorschläge abfassen und ihre Funde untersuchen sollte, saß sie im Liebesnest eines ausgerasteten Teenagers fest. Wieder befiel sie tiefe Hoffnungslosigkeit. Tränen stiegen ihr in die Augen. Doch sie unterdrückte sie. Hör auf! Reiß dich zusammen. Benimm dich wie die Tochter deines Vaters, der

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