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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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Hundertfüßlern, eine Libelle, die an einem Faden hing - eine lebende!). Doch dann fiel ihr auf, dass er ein bisschen zu oft in ihrer Nähe war. Sie hörte Schritte hinter sich, wenn sie spätabends vom Auto zum Haus lief. Sah eine Gestalt unter den Bäumen in der Nähe ihres Hauses in Blackwater Landing stehen. Hörte seine hohe, unheimliche Stimme, als er irgendwelche Worte ausstieß, die sie nicht verstehen konnte, mit sich selbst redete oder vor sich hin sang. Sobald er sie auf der Main Street entdeckte, kam er schnurstracks auf sie zu, quatschte sie voll, stahl ihr die Zeit, ging ihr immer mehr auf den Geist. Glotzte - sowohl verschämt als auch sehnsüchtig - auf ihren Busen, die Beine, die Haare.
    »Mary Beth, Mary Beth... hast du gewusst, dass ein Spinnennetz, wenn
    man es irgendwie um die ganze Welt spannen würde, nicht mal dreißig
    Gramm wiegt... Hey, Mary Beth, weißt du, dass ein Spinnennetz ungefähr
    fünf Mal so fest ist wie Stahl? Und viel elastischer als Nylon? Manche Netze
    sind richtig klasse - die sind wie Hängematten. Die Fliegen legen sich rein und wachen nie mehr auf.« (Mir hätte auffallen müssen, dachte sie jetzt, dass es bei seinem Gerede immer wieder um Spinnen und räuberische Insekten ging.) Und so hatte sie allmählich ihre Gewohnheiten geändert, damit sie ihm nicht ständig über den Weg lief, hatte sich neue Geschäfte gesucht, in denen sie einkaufen ging, einen anderen Heimweg, andere Strecken, auf denen sie mit ihrem Mountainbike ausfuhr. Doch dann geschah etwas, was all ihre Bemühungen, sich von Garrett Hanion fern zu halten, durchkreuzte - Mary Beth machte eine Entdeckung. Und das ausgerechnet am Ufer des Paquenoke, im Herzen von Blackwater Landing - an einer Stelle, die der Junge zu seinem persönlichen Lehen erkoren hatte. Doch die Entdeckung war so wichtig, dass nicht einmal eine Bande Schwarzbrenner, geschweige denn ein dürrer Knabe mit einem Insektenfimmel sie von dort hätte fern halten können. Mary Beth wusste nicht, wieso Geschichte sie so faszinierte. Aber es war schon seit jeher so gewesen. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie als kleines Mädchen in Williamsburg gewesen war, wo es noch genauso aussah wie zur Kolonialzeit. Von Tanner's Corner aus war man mit dem Auto in zwei Stunden dort, und die Familie war oft hingefahren. Mary Beth hatte sich die Straßen in der Nähe der Stadt gemerkt, damit sie Bescheid wusste, wenn sie fast am Ziel waren. Sie hatte dann die Augen geschlossen, und sobald ihr Vater den Buick geparkt hatte, musste ihre Mutter sie an der Hand in den Park führen, wo sie dann die Augen aufmachte und so tun konnte, als wäre sie tatsächlich im Amerika der Kolonialzeit. Das gleiche Hochgefühl - nur hundert Mal stärker - hatte sie letzte Woche erfasst, als sie in Blackwater Landing am Ufer des Paquenoke entlanggelaufen war, den Blick zu Boden gerichtet, und etwas bemerkt hatte, was halb im sumpfigen Erdreich vergraben war. Sie hatte sich hingekniet und den Lehm beiseite geschoben, so vorsichtig wie ein Chirurg, der ein schlagendes Herz freilegt. Und jawohl, da waren sie: Überreste aus alter Zeit – der Beweis, den die dreiundzwanzig fahre alte Mary Beth McConnell verzweifelt gesucht hatte. Der Fund, mit dem sie ihre Theorie beweisen konnte - und durch den die amerikanische Geschichte neu geschrieben werden musste. Mary Beth McConnell hatte wie fast jeder, der in North Carolina aufgewachsen ist - und nahezu jedes Schulkind in Amerika -, im Geschichtsunterricht die verschollene Kolonie von Roanoke durchgenommen. Die Siedlung war Ende des 16. Jahrhunderts von englischen Kolonisten gegründet worden, die auf Roanoke gelandet waren, einer zwischen dem Festland von North Carolina und den Outer Banks gelegenen Insel. Zunächst herrschte Eintracht zwischen den Siedlern und den Ureinwohnern, doch dann verschlechterten sich die Beziehungen. Da der Winter vor der Tür stand und den Kolonisten die Nahrungsmittel und andere Vorräte ausgingen, segelte John White, der Gründer der Kolonie, nach England, um Nachschub zu beschaffen. Doch als er nach Roanoke zurückkehrte, waren die Kolonisten - über hundert Männer, Frauen und Kinder - verschwunden. Der einzige Hinweis auf ihren Verbleib war das Wort
    »Croatoan«, das unweit der Siedlung in die Rinde eines Baumes geritzt worden war. Das war der indianische Name für Hatteras, eine etwa fünfzig Meilen südlich von Roanoke gelegene Insel. Die meisten Historiker nahmen an, dass die Kolonisten

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