Jene Nacht im Fruehling
heraushören: Neugierde.
»Wenn du noch länger weggeblieben wärest, hätte ich die Polizei verständigt. Ist dir denn nicht bewußt, wie gefährlich diese Stadt ist?«
»Oh, Mike«, erwiderte sie lachend und fuhr sich mit der Hand durch das nasse Haar. »Da sind Tausende -Millionen - von Frauen in der Stadt unterwegs, ohne einen großen, starken Mann als Beschützer an ihrer Seite zu haben.«
Schon die Tatsache, daß sie ihn einen >großen, starken Mann< genannt hatte, reichte offenbar hin, ihn - zumindest teilweise - zu besänftigen.
»Ja, und diese Frauen wissen sehr genau, was sie tun, aber du ...«
Er hielt inne, weil sie niesen mußte, und im nächsten Moment faßte er sie am Arm und führte sie in das Badezimmer, das sie sich teilten. »Du ziehst diese nassen Klamotten aus. Sofort.«
»Mike, meine trockenen Kleider befinden sich oben in meiner Wohnung. Ich brauche . ..«
»Ich fürchte, daß ich dich von jetzt an keine Sekunde mehr aus den Augen lassen darf - nicht einmal hier im Haus. Ich werde dir etwas Geeignetes zum Anziehen holen.« Er machte die Badezimmertür hinter sich zu.
Samantha betrachtete sich ein paar Sekunden im Spiegel. Selbst sie würde zugeben müssen, daß sie sehr gesund und vergnügt aussah, und so fühlte sie sich auch. Rasch begann sie sich ihrer nassen Sachen zu entledigen und zögerte nur, als sie überlegte, ob sie auch ihre Unterwäsche ablegen sollte, zog sie dann, einem Impuls folgend, ebenfalls aus und rieb sich mit einem Handtuch ab. Dann klopfte es an der Tür, und Mike öffnete sie so weit, daß er einen Hausmantel durchreichen konnte. Sie nahm ihm diesen ab und wußte auf den ersten Blick, daß er nie getragen worden war. Der Hausmantel sah noch zu neu aus und entsprach überhaupt nicht Mikes Geschmack. Es war ein marineblauer Hausmantel aus Seide mit burgunderfarbenen Biesen - ein Hausmantel, wie ihn nur eine Frau einem Mann kaufen und dann enttäuscht sein würde, weil er ihn nie anzog. Nur David Nieven konnte so einen Hausmantel tragen und sich darin wohl fühlen.
Sie schlüpfte hinein und zog die Seide fest um sich. Er gehörte Mike, und er fühlte sich gut an.
Sie kam, sich noch das Haar mit einem Handtuch rubbelnd, aus dem Badezimmer. Mike wartete in der Küche mit einem Drink auf sie.
»Nein«, sagte sie protestierend, aber er drängte ihr das Glas auf und befahl dann im strengen Ton:
»Und jetzt möchte ich wissen, wo du gewesen bist. Und was dich veranlaßte, einfach wegzurennen, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen, so daß ich mir solche Sorgen machen mußte und ...«
Sie nahm einen kräftigen Schluck von dem Gin Tonic. »Wenn du nicht aufhörst, dich zu beschweren, werde ich dir auch nicht zeigen, was ich dir gekauft habe.«
Diese Erklärung kam für ihn sichtlich unerwartet. Er sah sie mit großen Augen an.
Sie lächelte. »Komm«, sagte sie und zog ihn in die Frühstücksecke, wo sie sich hinsetzen und den Regen durch die Glastüren beobachten konnten. Dann ließ sie ihn dort zurück und ging in die Vorhalle, um ihre Einkaufstüten zu holen, die sie dort stehengelassen hatte. Als sie wieder in die Küche kam, saß er am Küchentisch.
»Mach’ die Augen zu und strecke die Hände aus.«
Nach kurzem Zögern kam Mike ihrer Aufforderung nach. Samantha wickelte nun den kleinen Samuraikrieger aus und legte ihn in seine ausgestreckten Hände. Als er die Augen öffnete, beobachtete sie sein Gesicht, um zu sehen, ob er sich darüber freute.
Mike sagte einen Moment lang nichts, während er die kleine Statue in seinen Händen betrachtete. Sie gefiel ihm, gefiel ihm sogar sehr. Tatsächlich würde er sie vermutlich selbst für sich gekauft haben. Aber noch wichtiger als der Umstand, daß ihm die Statue gefiel, war die Tatsache, daß Samantha sie ihm geschenkt hatte. Noch nie zuvor in seinem Leben war er von einem nicht mit ihm verwandten weiblichen Wesen beschenkt worden, wenn es nicht sein Geburtstag war, oder Weihnachten, und alle Geschenke von Frauen waren stets unpersönlich gewesen - ein Pullover, eine Krawatte oder eine Brieftasche. Und stets waren sie von dem Spruch begleitet gewesen: »Laß uns zum Essen gehen, damit alle es sehen.« Was bedeutete, daß er mehr für die Geschenke ausgeben mußte, als sie gekostet hatten.
»Gefällt sie dir? Ich fand, daß er dir sehr ähnlich sieht. Grimmig, aber auch irgendwie süß mit diesem Lächeln, weißt du?«
Er blickte sie an, als sähe er sie zum erstenmal. Und was er in ihrem Gesicht entdeckte,
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