Jene Nacht im Fruehling
spielte ihm nur ein Theater vor, als sie behauptete, ihr wäre der Preis zu hoch.
»Es würde mich zwar hart treffen, aber ich könnte Ihnen die Statue für fünfhundertfünzig überlassen.«
Samantha blickte ihn verdutzt an. Sie hatte nicht erwartet, daß er mit dem Preis heruntergehen würde. »Es tut mir leid, aber der Preis ist mir immer noch zu hoch.«
Eine echte, hier geborene New Yorkerin, dachte der Ladeninhaber bei sich und sagte: »Gibt es noch etwas, das Sie bei mir gern kaufen würden?«
Samantha hielt das für eine seltsame Frage, versuchte aber erst gar nicht, sie zu verstehen, sondern deutete auf ein Paar Granatohrringe, die ihr gefielen. Der Ladenbesitzer nahm sie aus dem Schaufenster, damit Samantha sie betrachten konnte.
Sie fand die Ohrringe wunderhübsch, mochte sich aber nicht von ihnen auf begehrliche Abwege bringen lassen, sondern wollte ihre ursprüngliche Absicht weiterverfolgen, etwas für Mike zu kaufen. »Sie sind gar nicht übel, aber ich würde doch lieber die Statue nehmen. Allerdings kostet sie mir zuviel«, erklärte sie wahrheitsgemäß.
»Wie wäre es mit fünfhundertfünfzig für beides?«
Wieder sah Samantha den Mann verdutzt an, doch nun begann sie allmählich zu begreifen. Einem Impuls folgend, sagte sie: »Dreihundertfünfzig.«
»Vierhundertfünfundzwanzig«, sagte der Ladenbesitzer, die Ohrringe wieder vom Ladentisch nehmend.
»Dreihundertfünfundsiebzig für beides. In bar.« Samantha hielt den Atem an, denn das war exakt die Summe, die sie noch bei sich hatte. Sie konnte das Angebot nicht einmal um fünfzig Cents erhöhen.
»Vierhundert, mehr kann ich unter keinen Umständen nachlassen.«
Samantha machte wieder ein langes Gesicht, und sie sah genauso traurig aus, wie sie sich fühlte. »Tut mir leid, aber dreihundertfünfundsiebzig ist alles, was ich ausgeben kann.« Langsam wandte sie sich der Ladentür zu.
»Okay«, sagte da der Mann widerwillig. »Sie gehören Ihnen. Für dreihundertfünfundsiebzig bar auf den Tisch.«
Als Samantha mit der Statue und den Ohrringen den Laden verließ, fühlte sie sich ein wenig betäubt, so, als habe sie soeben das seltsamste Geschäft ihres Lebens gemacht. Sie war schon bis zur nächsten Straßenecke gegangen, ehe sie merkte, daß es inzwischen zu regnen begonnen hatte. Als sie auf die Uhr sah, entdeckte sie, daß es schon fast sechs war. Sie war sich sicher, daß Mike schon seit Stunden zu Hause auf sie wartete und sehr wütend auf sie sein mußte.
Nachdem Samantha das Feilschen gelernt hatte, lernte sie nun die Gepflogenheiten des New Yorker Taxigewerbes kennen. Beim ersten Regentropfen versuchen alle New Yorker Taxifahrer, sich sofort irgendwo unterzustellen. Zumindest war das die Theorie, die erklären sollte, warum man bei Regen in der Metropole nie ein freies Taxi finden konnte. Oder vielleicht lag es auch daran, daß der Regen die Wagen abwusch und sie dann nicht mehr als Taxi zu erkennen waren? Jedenfalls stellte sich Samantha nun an den Bordstein und hielt die Hand hoch, aber kein Taxi hielt neben ihr. Nun, dachte sie nach einer Weile, vielleicht ist New York doch nicht so vollkommen, wie es heute den Anschein hatte. Dann faßte sie die Henkel ihrer Einkaufstaschen fester, senkte den Kopf, damit der Regen ihr nicht in die Augen lief, und machte sich auf den langen Fußmarsch zurück zu Mikes Haus.
17
Sobald sie in die Vierundsechzigste Straße eingebogen war, begann sie zu laufen. Der Regen hatte sich inzwischen in einen heftigen Schauer verwandelt, und sie wurde allmählich naß bis auf die Haut. Aber das hatte nichts mit ihrer Eile zu tun - sie beeilte sich Michaels wegen. Er würde ihr böse sein, weil sie fortgegangen war, ohne ihm eine Nachricht zu hinterlassen, und er würde ein bißchen fauchen und spucken, aber sie wußte, daß er auf sie warten und froh sein würde, wenn er sie wiedersah. Er würde sich freuen, wenn sie sicher und gesund zu Hause anlangte, und er wollte dann von ihr hören, was sie den ganzen Tag über gemacht, was sie gesehen und gekauft hatte. Sie wußte nicht, warum sie sich dessen so sicher war, aber sie wußte es eben.
Er öffnete schon die Tür, als sie noch die Vortreppe hinaufstieg. Offensichtlich hatte er nach ihr Ausschau gehalten. Obwohl sie nun eine geharnischte Gardinenpredigt erwarten würde, grinste sie ihn an.
»Wo, zum Kuckuck, bist du gewesen?« fragte er barsch. Sie merkte ihm aber sofort an, wie erleichtert er war. Und noch etwas konnte sie aus seiner Stimme
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