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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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ihm antwortete, war ihre Stimme so leise, daß er sie kaum verstehen konnte: »Ich sah einmal ein Fernsehstück, in dem jemand einen Mann fragte, warum er es denn so lange bei seiner Frau, die ein schrecklicher Drachen war, aushalten würde. Er war ein so netter Mann, mußt du wissen. Der Mann erwiderte, daß er manchmal das Gefühl habe, er sei wie eine Uhr, bei der seine Frau stets dafür sorgte, daß sie aufgezogen blieb, und er Angst habe, daß er, wenn er sie verließe, sich irgendwo hinsetzen und nie mehr aufstehen würde - daß er dann wie eine Uhr sei, die man vergessen habe, aufzuziehen. Ich glaube, mein Vater und ich waren wie dieser Mann. Meine Mutter war eine regsame, unternehmungslustige und gesellige Frau, und ich denke, sie hat meinen Vater und mich immer aufgezogen. Als sie tot war . . ., da hatte man gewissermaßen vergessen, uns wieder aufzuziehen.«
    Mike war sich nicht sicher, ob er verstand, was sie gesagt hatte. Sein ganzes Leben lang hatte er immer um ein paar Stunden ungestörten Alleinseins kämpfen müssen, so daß er sich eigentlich gar nicht richtig vorzustellen vermochte, wie es war, wenn zwei Menschen allein in einem Haus wohnten. Als er noch ein kleiner Junge gewesen und eines seiner jüngeren Geschwister in sein Zimmer eingedrungen war und sich an seinen Sachen vergriffen hatte, hatte er gedacht, wie himmlisch es doch sein müsse, ein Einzelkind zu sein.
    Aber als er Samantha nun, in seinem ihr viel zu großen Morgenmantel auf dem Küchenstuhl sitzen sah, glaubte er nicht mehr daran, daß das Dasein eines Einzelkindes etwas Erstrebenswertes wäre.
    Er lächelte ihr zu. »Erzähl mir noch mehr von deinem Ausflug heute. Oder erzähl mir etwas von Santa Fe.«
    Da lachte sie. »Du würdest mir ja doch nicht glauben, wenn ich sage, daß Santa Fe der seltsamste Ort auf dieser Welt ist. Soll ich dir von den Seelenerforschungs-Seminaren erzählen oder unserem brandneuen Personenaufzug?«
    »Von beidem«, erwiderte er.
    Als sie zu erzählen begann, hörte Mike ihr aufmerksam zu und lachte, während der Regen, der vor den Terrassentüren herunterrauschte, sie von der Außenwelt isolierte. Es war ein ganz gewöhnlicher Abend mit zwei Menschen, die an einem Tisch saßen, hin und wieder an ihren Gläsern nippten und miteinander sprachen, aber für Mike war es einer der schönsten Abende seines Lebens. Denn zum erstenmal war er mit einem weiblichen Wesen zusammen, ohne dem Zwang, sie unterhalten oder ihr das Gefühl von seiner Großartigkeit vermitteln zu müssen, ausgesetzt zu sein. Es war nicht nötig, sie beeindrucken zu wollen. Den kleinen Samurai hochhaltend, betrachtete er dessen Gesicht und schloß dann die Finger fest um die Figur.
    »Was wolltest du wissen?« fragte er, als Samantha ihn erwartungsvoll ansah.
    »Etwas über Colorado. Und von deinen elf Brüdern und Schwestern, wenn du mir von ihnen erzählen möchtest, heißt das.« Sie sagte das in einem Ton, als würde sie ihn um etwas Verbotenes bitten.
    »Wo soll ich da nur anfangen? Stell’ dir vor, daß du ständig in einer Meute lebst, immer von Lärm und Trubel umgeben bist und nie eine Stunde lang allein sein kannst. Besser noch: Stell dir vor, du würdest in einem Zirkus leben - mit Clowns, Affen und allem, was dazugehört.«
    Samantha lehnte sich auf ihre Ellenbogen gestützt, über den Tisch und erkundigte sich atemlos: »Habt ihr euch gestritten? Hattet ihr viele Freunde? Hattet ihr auch Haustiere? Seid ihr oft zusammen ins Kino gegangen? Habt ihr auch Freunde eingeladen, die bei euch über Nacht blieben?«
    Er grinste. »Willst du die Geschichte hören, als mein Bruder Kane und ich uns unter dem Bett meiner älteren Schwester versteckten und darauf warteten, daß die Schlummer-Party mit ihren Freundinnen begann?«
    »Ja«, erwiderte sie wißbegierig.
    *
    Es war bereits zu vorgerückter Stunde, als Mike, der sah, wie Samantha gähnte, vorschlug, daß sie nun zu Bett gehen sollten. Sie wandte sich zur Treppe, aber er bestand darauf, daß sie im Erdgeschoß in seiner Nähe schlief, zumindest bis zum kommenden Montag, wenn die bestellten Gitter an den Fenstern angebracht sein würden.
    Nachdem er sie die Treppe zu ihrem Apartment hinaufbegleitet hatte, wartete er solange im Wohnzimmer, bis sie sich ihr Nachtzeug herausgesucht hatte, um sich anschließend mit ihm wieder ins Erdgeschoß zu seinem Schlafzimmer zu begeben. Er lächelte. Als er sich heute morgen rasieren wollte, hatte er erst zwei Parfümflaschen, zwei

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