Jene Nacht im Fruehling
waschen uns gegenseitig in allen Ecken, Nischen und Spalten, steigen aus der Wanne, frottieren uns gegenseitig ab, kehren wieder hierher zurück, und ich könnte dir dann deine vermutlich erste Lektion im oralen Sex erteilen.«
Ihre Augen einen winzigen Spalt öffnend, gähnte Samantha, daß ihre Kiefer knackten, und sagte: »Ich bin schrecklich müde, Mike. Wir sollten wohl jetzt besser schlafen.« Mike machte ein Gesicht wie ein kleiner Junge, dem man soeben eröffnet hatte, daß man nun doch nicht, wie versprochen, in den Zirkus gehen würde. Da gähnte sie zum zweitenmal und sagte, sich an den Rippen kratzend: »Andrerseits könnte ich aber auch ein heißes Bad gut...«
Und bevor sie ihren Satz beenden konnte, fand sie sich im Badezimmer wieder.
24
Es war in der Badewanne, wo Mike sie dann fragte, warum sie so lange gewartet hatte, bis sie mit ihm ins Bett gegangen war. Er tat so, als wäre es für ihn keine sonderlich wichtige Frage, aber sie ließ sich von seinem Ton nicht täuschen.
»Richard sagte zu mir, daß ich nicht gut wäre im Bett und er sich deshalb eine Liebhaberin nehmen mußte.«
»Und du hast ihm das geglaubt?« erwiderte Mike in einem Ton, als würde er sie für die dümmste Person der Welt halten.
»Woher, zum Teufel, sollte ich wissen, daß er mir nicht die Wahrheit sagte?« fauchte sie ihn förmlich an. »Er war schließlich schon mit vielen Frauen im Bett gewesen, und ich hatte noch nie mit einem anderen Mann geschlafen. Nur mit ihm! Was sollte ich also tun - mir eine andere Meinung einholen? Sollte ich etwa in eine Bar gehen, dort einen Mann auflesen, mit ihm ins Bett gehen und ihn hinterher fragen, ob ich meine Sache gut oder schlecht gemacht habe? Lassen Sie sich von mir etwas sagen, Mister Selbstbewußt: Wenn eine Frau glaubt, sie wäre für Männer nicht begehrenswert - dann ist sie das auch nicht, verdammt noch mal!«
Später, nach dem außerordentlichen Erfolg von Mikes Speziallektion, stellte er ihr noch weitere Fragen. Sie lagen beieinander wie zwei Boxer, die sich zwischen zwei Runden ausruhen, als Mike sagte: »Willst du mir nicht noch mehr von deinem Ex-Mann erzählen?«
»Nein.«
»Hmmm.«
»Was soll das denn bedeuten?«
»Es bedeutet, daß ich noch nie eine Frau gekannt habe, die der Versuchung widerstehen konnte, jedem, der es hören wollte, zu erzählen, was für ein Schuft ihr Ex-Freund oder Ex-Mann gewesen sei.«
Samantha hob den Kopf, den sie auf seine Brust gelegt hatte, und funkelte ihn wütend an. Sie wollte ihm nichts von ihrer Ehe und ihrer Scheidung erzählen, weil sie beides als eine persönliche Niederlage betrachtete. Andererseits hätte sie auch jemandem gerne die Wahrheit gebeichtet - nicht diese zuckersüße, sentimentale Version, die sie ihrem Vater aufgetischt hatte, sondern die ungeschminkte Wahrheit. Und so siegte schließlich ihr Bedürfnis, sich mitzuteilen, über ihren Stolz.
»Die ersten zwei Jahre unserer Ehe waren in Ordnung, schätze ich. Wir hatten zwar keine große leidenschaftliche Affäre miteinander aber wir lernten, uns einander anzupassen. Richard war Teilhaber in einer Steuerberatungs-GmbH, und ich arbeitete im >Computerland<. Ich glaubte, unser Leben würde in ganz normalen Bahnen verlaufen, bis Richard eines Tages nach Hause kam und mir erklärte, er sei zutiefst unglücklich.«
Samantha schüttelte den Kopf. »Nicht bloß unglücklich, sondern zutiefst unglücklich. Und der Grund dafür sei, wie er mir dann erzählte, daß er schon immer den großen Amerikanischen Roman habe schreiben wollen. Doch inzwischen habe er einsehen müssen, daß er ihn nicht schreiben könne, weil er seine ganze Zeit darauf verwenden müsse, für unseren Lebensunterhalt zu sorgen.«
Sie bewegte abermals den Kopf auf Mikes Brust. »Ich war geschockt. Ich hörte damals zum erstenmal von seiner großen Ambition, und ich fühlte mich schuldig, weil ich nun zwei Jahre mit diesem Mann gelebt und geglaubt hatte, er sei vollauf damit zufrieden, für andere Leute die Steuern ausrechnen zu dürfen. Wir saßen dann die ganze Nacht beisammen und redeten.«
Sie hielt einen Moment inne, während sie an jene Nacht zurückdachte. »Ich glaube, in dieser Nacht kamen wir uns näher als in all den Jahren zuvor oder danach. Wir einigten uns darauf, daß ich ein Jahr lang den Lebensunterhalt für uns beide verdienen sollte, während er in dieser Zeit an seinem Roman schreiben würde - allerdings unter der Bedingung, daß er mich auch von der Hausarbeit entlastete;
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