Jene Nacht im Fruehling
es jedoch tat, mußte sie nicht, wie sie zufällig herausfand, anschließend ihr Geschirr reinigen, sondern konnte es schmutzig in der Spüle stehenlassen, und die junge Frau, die mittwochs ins Haus kam, wusch es dann ab. Samantha war froh darüber, weil sie sich, ehrlich gestanden, zu müde fühlte, um allzu viel sauberzumachen.
Und da sie bereits mittags wieder schläfrig wurde, machte sie sich gar nicht erst die Mühe, den Pyjama ihres Vaters auszuziehen. Tatsächlich schien es ihr mit der Zeit ein überflüssiger Kraftaufwand zu sein, zu baden und frische Kleider anzuziehen. Sie konnte ja gar nicht wirklich schmutzig werden, da sie ja nicht viel anderes tat, als schlafen. Als sie versuchte, eine Biographie von Königin Elizabeth I. zu lesen, konnte sie kaum die Augen offenhalten.
Im Verlauf der Wochen hörte sie gelegentlich Gelächter, das aus dem Garten zu ihr heraufdrang, aber sie stand nicht mehr auf, um nachzusehen, was da unten vor sich ging. Und ihr Hausherr störte sie auch nicht mehr. Ein paarmal hatte sie ihn in der Küche getroffen, doch sie hatte ihn nur schläfrig angelächelt und war dann wieder nach oben gegangen. Sie rannte nicht mehr weg, um ein Zusammentreffen mit ihm zu vermeiden.
Sie legte die Biographie auf den Nachttisch und schaltete das Licht aus. Es war erst sieben Uhr abends, und draußen war es noch taghell, aber sie war zu müde, um noch länger wach zu bleiben. Während sie einschlief, dachte sie nach, daß sie die Biographie von Elizabeth I. zu Ende und auch alle anderen Bücher im Regal lesen würde, sobald sie ausgeruht sei. Aber im Augenblick wollte sie nur schlafen.
*
Daphne Lammourche saß mit Mike im Garten hinter dem Haus und beobachtete ihn über den Picknicktisch hinweg. Man mußte kein Psychologe sein, um zu erkennen, daß ihn etwas bekümmerte. Sie kannte ihn eigentlich nur als gutgelaunten, immer zu Späßen aufgelegten Mann, der zumeist Unmengen von gegrilltem Fleisch verzehrte, aber an diesem Abend schob er sein Steak lustlos auf dem Teller hin und her, als hätte er überhaupt keinen Hunger.
Daphne wußte nicht, weshalb er sie heute abend eingeladen hatte. Vielleicht hatte er geahnt, daß sie sich fast selbst eingeladen hätte, weil sie momentan die Zeit »zwischen zwei Jobs« überbrücken mußte - wie die Leute diesen Zustand höflich zu umschreiben pflegten. Der Klub, in dem sie zuletzt gearbeitet hatte, hatte einen neuen Geschäftsführer eingestellt - einen schmierigen Schleimer, der meinte, es müsse für Daphne eine Ehre sein, wenn er ihr erlaube, gewisse Dinge mit seinem Körper zu machen.
Als Daphne dieses Ehrenamt ausschlug, hatte er sie gefeuert. Sie hatte ein bißchen Geld gespart und wußte, daß sie damit über die Runden kommen würde, bis sie einen neuen Job gefunden hatte. Aber bis dahin war Mike, wie sie ebenfalls wußte, immer gut für eine Mahlzeit.
»Bist du okay?« fragte sie.
»Ich? Klar«, erwiderte er, aber es war eher ein Gemurmel.
Daphne hatte Mike noch nie in einem solchen Zustand erlebt wie heute. Normalerweise war er der Mittelpunkt jeder Party - die treibende Kraft, die alle in Schwung brachte. Und bei seinem Aussehen war es auch nicht verwunderlich, daß die Frauen sich stets um ihn rissen, wenngleich Mike ihre Bemühungen meistens unbeeindruckt ließen. Daphne fragte sich, ob vielleicht dort, wo er zu Hause war, ein Mädchen auf ihn wartete, oder ob er möglicherweise sogar hier in New York eine feste Freundin hatte. Wenn sie bemerkte, daß die Mädchen, mit denen sie im Klub arbeitete, sich ihm geradezu an den Hals warfen, fühlte sie sich jedesmal versucht, ihnen zu sagen, daß sie aufhören sollten, ihre Zeit zu verschwenden, weil sie einen Kerl wie Mike niemals herumkriegen würden.
Daphne war sich durchaus bewußt, daß alle diese Mädchen glaubten, sie würde mit Mike schlafen, und sie machte sich auch nicht die Mühe, ihnen zu erklären, daß sie und Mike nur Freunde waren.
Daphne hatte ein Problem, das sie unglücklicherweise mit viel zu vielen Frauen teilte: Sie verlangte von einem Mann, daß er sie liebte, schien aber die Gefühle eines jeden Mannes, der sie liebte, nicht erwidern zu können. Und so verwandte sie ihre ganze Zeit und zumeist auch ihr ganzes Geld darauf, Typen, denen sie gleichgültig war - zumeist schräge Vögel oder gescheiterte Existenzen -dazu zu bringen, sie zu lieben. Wenn diese dann nichts anderes taten, als sie auszunehmen und zu mißbrauchen, weinte sie sich an den Schultern jener Leute -
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