Jene Nacht im Fruehling
»Warum sagen Sie ihm nicht die Wahrheit?«
Mike brauchte einen Moment, um sich darauf zu besinnen, über wen sie vorhin gesprochen hatten. »Sie meinen, ich soll Barrett verraten, daß ich ein Buch über ihn schreiben möchte?«
»Ich kann seine Antipathie gegen Schriftsteller vollauf verstehen.« Sie betonte das Wort Schriftsteller auf eine verächtliche Weise.
»Wie ich sehe, spricht auch das Schreiben gegen mich«, seufzte er. »Möchten Sie mir nicht verraten, warum?«
Er erwartete diesmal gar nicht, daß sie ihm die Frage beantwortete, sondern sagte: »Schön. Behalten Sie Ihre Geheimnisse für sich. Haben Sie schon mal etwas von Al Capone gehört? Natürlich haben Sie das. Der Grund, warum Sie von ihm gehört haben, ist nicht die Tatsache, daß er der größte oder sogar der gewalttätigste aller Gangster war, sondern Sie haben von ihm gehört, weil Capone den Presserummel liebte. Er pflegte ganze Scharen von Reportern mitzunehmen, wenn er zum Angeln ging. Der Mann glaubte, daß alles, was er tat, Beachtung durch die Öffentlichkeit verdiente. Tatsächlich war Barrett in seiner Glanzzeit in New York mächtiger als Capone, aber Barrett haßte Publicity jeder Art. Er wollte nicht einmal zulassen, daß man ein Foto von ihm machte, und gab niemals Interviews.«
»Und Sie denken, wenn Sie ihm jetzt schreiben und die Wahrheit sagen -, daß nämlich eine Eventuell-Enkelin und ein neugieriger Schriftsteller ihn zu sehen wünschen - er nein sagen würde?«
»Dessen bin ich sicher. Das ist der Grund, warum ich etwas Ihnen Nahestehendes oder persönlich Verbundenes sein muß. Ehemann ist gestrichen, nicht wahr? Wie wäre es mit einem Verlobten?«
»Wie wäre es mit einem Halbbruder?«
»Wenn Barrett Maxie wiedergesehen hat, weiß er, daß das eine Lüge ist.«
Sie versuchte sich etwas anderes auszudenken, was er angeblich sein konnte; denn sie wollte nicht einmal einen Nachmittag lang eine irgendwie geartete Intimität zwischen ihnen zulassen.
Er wußte, was sie dachte - so genau, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Was haben Sie denn nun wirklich gegen mich?«
Sie sah ihn wieder mit schmalen Augen an. »Wollen Sie mich tatsächlich heiraten? Seßhaft werden und ein paar Kinder zeugen?«
»Ich habe nicht vorgehabt, noch in dieser Woche zu heiraten«, erwiderte er.
»Dann lieben Sie mich also nicht? Sie bringen mir kein aufrichtiges, tiefes Gefühl entgegen?«
»Wir haben bisher noch kein Gespräch führen können, das frei von Feindseligkeit gewesen wäre.«
»Ah ... dann ist das, was Sie wirklich von mir wollen, die Bereitschaft, mit Ihnen ins Bett zu gehen - mehr nicht.« Sie lehnte sich über den Tisch. »Lassen Sie sich von mir etwas sagen, Mr. Taggert. So wie Sie ein altmodischer Mann sind, bin ich eine altmodische Frau. Ich gehöre nicht zu diesen modernen weiblichen Typen, die sich überlegen, ob sie gleich beim ersten Rendezvous mit dem Mann ins Bett steigen sollen. Ich gehöre zu jenem Typ, der sich überlegt, ob er bei seinem dritten Stelldichein den Mann küssen soll.
Ich möchte nicht mit Ihnen ins Bett gehen und möchte -der Himmel bewahre mich davor! - unter keinen Umständen mehr heiraten. Ein großer Fehler im Leben ist genug, lautet mein Motto, und ich habe meinen gemacht und daraus gelernt. Habe ich mich klar und verständlich ausgedrückt?«
Sich in der Nische wieder zurücklehnend, starrte Mike sie an und versuchte zu ergründen, woher ihre Feindseligkeit wohl rühren mochte. Nichts von allem, was Dave ihm erzählt hatte, hatte ihn auf eine derartige Antipathie vorbereitet.
»Ich denke, ich habe das getan. Es sollte also keine Mißverständnisse mehr zwischen uns geben. Ich möchte die Bedingungen erfüllen, die mein Vater mir in seinem Testament gestellt hat, und dann aus dieser Stadt wieder verschwinden. Ich werde tun, was notwendig ist, und nicht mehr. Haben Sie mich verstanden?«
»Ein bißchen besser als vorher«, erwiderte er leise.
»Gut. Vielleicht können wir jetzt beim eigentlichen Thema bleiben. Ich erlaube Ihnen, Barrett in einem Brief mitzuteilen, daß ich mit meinem Verlobten zu ihm käme. Nach diesem Treffen mit Barrett werde ich aus Ihrem Haus ausziehen, und Sie geben mir eine schriftliche Bestätigung, daß ich die Voraussetzungen, die mich zum Antritt meines Erbes berechtigen, erfüllt habe. Einverstanden?«
»Fast. Ich habe da noch etwas, das zu diesen Voraussetzungen gehört: In der Zeit zwischen der Absendung des Briefes und dem Erhalt einer Antwort, wobei
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