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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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tippen Sie eigentlich?« fragte sie und rückte dabei einen Schritt näher an den Schreibtisch heran.
    Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu, der Zweifel daran anzumelden schien, daß sie mit einem Gehirn auf die Welt gekommen war.
    »Weil ich etwas tippen möchte«, antwortete er.
    Sie fragte, auf die Schreibmaschine deutend: »Warum benutzen Sie denn nicht eine Steintafel und einen Meißel? Das ist billiger und liefe auf das gleiche hinaus.«
    Mike erwiderte nichts, sondern hämmerte wieder auf die Tasten ein. Sie sollte in ihr Apartment zurückgehen und packen, überlegte Samantha. Oder versäumten Schlaf nachholen. Nur war sie im Augenblick ausnahmsweise einmal nicht müde. Sie hätte ihn gern gefragt, was er da tippte, aber sie sagte sich, daß sie sich das nicht erlauben dürfe.
    »Ich denke, ich werde mich wieder hinlegen«, sagte sie, sich auf die Treppe zubewegend, doch nach zwei Schritten hielt sie wieder an und fragte: »Werden Sie mir mein Erbe freigeben, wenn ich nicht nach meiner Großmutter suche?«
    »Nein«, antwortete er mit fester Stimme.
    Samantha öffnete den Mund, um zu protestieren, tat es aber nicht. Schließlich besaß sie ja die Freiheit, zu entscheiden, was sie tun wollte und was nicht, und das Geld war ihr nicht allzu wichtig. Sie war ja nicht unbedingt darauf angewiesen, sondern konnte sich, wie sie wußte, durchaus selbst ernähren. Wenn sie sich weigerte, die Bedingungen zu erfüllen, die das Testament ihres Vaters ihr auferlegte, konnte sie noch heute New York verlassen und nach . . . nach . . .
    Es war ihr nicht möglich, diesen Gedanken erfolgreich zu Ende zu bringen, weil sie wußte, daß sie keinen Menschen auf der Welt hatte, zu dem sie gehen konnte. Und so setzte sie langsam ihren Weg zur Treppe fort, um in ihr Apartment zurückzugehen.
    »Ihr Großvater Cal war unfruchtbar«, sagte Mike laut in die Stille hinein. »Er hatte Mumps, als er beim Militär diente - zwei Jahre, bevor er Ihre Großmutter kennenlernte -, und diese Krankheit hatte ihn steril gemacht. Er konnte keine Kinder zeugen.«
    Samantha setzte sich hart auf einen Stuhl, der im Flur neben der Tür zur Bibliothek stand. Der Kreis schließt sich, dachte sie bei sich. Sie hatte ihn ganz durchmessen: Sie hatte ihre Großmutter, ihre Mutter, ihren Vater und ihren Mann verloren, und nun erzählte man ihr, daß ihr Großvater von Anbeginn an gar nicht ihr Großvater gewesen sei.
    Sie hörte nicht, wie Mike sich durch den Raum bewegte, aber plötzlich stand er vor ihr. »Wollen Sie nicht mit mir irgendwo hingehen, wo wir etwas essen und darüber reden können?« fragte er besorgt.
    »Nein«, erwiderte sie leise. Sie hatte jetzt nur noch einen Wunsch, in ihre vier Wände zurückzukehren - in Räume, wo sie sich sicher fühlte.
    Sie bei den Schultern packend, zog Mike sie vom Stuhl hoch, so daß sie vor ihm stehen mußte. Er war wütend, weil er annahm, sie weigerte sich, mit ihm das Haus zu verlassen, weil sie ihn noch immer für einen Frauenschänder oder ähnliches hielt.
    »Solange Sie in diesem Haus wohnen«, schnaubte er, »bin ich für Sie verantwortlich. Und was Sie auch immer von mir denken mögen - es kommt sehr selten vor, daß ich mich in der Öffentlichkeit an einer Frau vergreife. Also können Sie ganz beruhigt mit mir zusammen zum Essen gehen.«
    Samantha blickte ihn verdutzt an. »Ich hatte gar nicht an so etwas gedacht. Ich ...« Sie sah von ihm weg, weil sie gegen die Versuchung ankämpfen mußte, ihm in die Arme zu sinken, weil sie wußte, daß es ihr guttun würde, von einem anderen menschlichen Wesen festgehalten zu werden. Die Person, die sie zuletzt in ihren Armen gehalten hatte - abgesehen von diesem Mann, der sie am Tag ihres Kennenlernens überrumpelt hatte -, war ihr Vater gewesen. Doch da hatte sie ihn trösten und stützen müssen, weil er schon so schwach und gebrechlich gewesen war. Sie sehnte sich danach, von starken, gesunden Armen umfangen zu werden. Aber es gehörte nicht zu ihren Gewohnheiten, andere Menschen um eine Gefälligkeit zu bitten. Sie hatte ihren Mann niemals gebeten, sie in die Arme zu nehmen, und dachte nicht daran, bei einem wildfremden Mann wie Mr. Taggert Trost zu suchen. Doch als sie vor ihm zurückwich, schien er das falsch zu verstehen.
    »Okay«, sagte er, den Mund ärgerlich verziehend, »ich werde Sie nicht anfassen. Aber Sie werden jetzt mitkommen und etwas essen.«
    Samantha wollte ihre Weigerung von vorhin wiederholen, doch statt nein zu sagen, erklärte

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