Jene Nacht im Fruehling
aller Welt, wollte mein Vater dann nach einer Ehebrecherin suchen? Eine Ehebrecherin! Dieser Abschaum der Menschheit!«
Mike blickte sie prüfend an. »Interessant. Was für eine eindrucksvolle Ansicht über Ehebruch. Sind es etwa persönliche Gründe, die für Ihre leidenschaftliche Verdauung maßgebend sind?«
Sie gab ihm keine Antwort, sondern sah schweigend zu, wie die Bedienung ihnen das Frühstück servierte.
»Ihr Vater war sich natürlich nicht sicher, was wirklich mit seiner Mutter passiert ist«, fuhr Mike nach einer kurzen Pause fort. »Eine Zeitlang befürchtete er, sie sei das Opfer übler Machenschaften geworden. Daß jemand ihr die Handtasche geraubt und sie dann umgebracht habe oder so etwas Ähnliches. Aber ein Jahr nach ihrem Verschwinden schickte sie Cal eine Postkarte aus New York und teilte ihm mit, daß sie in Sicherheit sei.«
»Wie rücksichtsvoll von ihr«, meinte Samantha sarkastisch.
Mike wartete einen Moment, ob sie noch etwas sagen wollte, aber als das nicht der Fall war, fuhr er fort: »Maxie schrieb, daß sie in Sicherheit sei - nicht, daß es ihr gut ginge oder sie glücklich wäre und man ihr die Kleider an diese oder jene Adresse nachschicken sollte. Sie schrieb lediglich, sie wäre in Sicherheit.«
»Sicher in den Armen ihres Liebhabers?«
»Ist es Verbitterung, die ich aus Ihrer Stimme heraushöre?«
»Was ich denke oder fühle, geht Sie nichts an. Alles, was ich von Ihnen wissen will, was ich zu tun habe, um die Bedingungen des Testaments zu erfüllen.«
»Vermitteln Sie mir einen Besuch bei Barrett, und Sie haben das Notwendige getan. Ich möchte diesen Mann kennenlernen. Seit zwanzig Jahren hat ihn niemand mehr gesehen. Er führt ein Einsiedlerdasein auf einem Landsitz in Connecticut und hat sich mit Zäunen, scharfen Hunden und Wachleuten umgeben.«
»Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, daß meine Großmutter - falls sie noch am Leben ist - bei ihm wohnen könnte?«
Mike grinste. »Der Gedanke ist mir allerdings gekommen.«
Samantha dachte über die Möglichkeit nach, ihre Großmutter wiederzusehen. Ihre Großmutter hatte ihre Familie verlassen, die Menschen, die sie liebten, eines anderen Mannes wegen aufgegeben, und Samantha wußte nicht, ob sie das dieser Frau verzeihen konnte. Sie mußte aber auch bedenken, daß dieser Barrett - ein Mann, den sie gar nicht kannte - ihr wahrer Großvater sein konnte.
»Vielleicht möchte ich ihn sehen«, sagte sie, fügte jedoch rasch hinzu, »aber nicht sie.«
Mike konnte seinen Schock nicht verbergen. »Sie können einem Mann verzeihen, der ein Gangster gewesen ist, aber nicht einer Frau, die einen Ehebruch begangen hat? Ist ein Mord für Sie weniger schlimm als ein Seitensprung?«
»Was wollen Sie, daß ich jetzt tue?« fragte sie, seine Bemerkung ignorierend.
»Nicht viel. Ich werde Barrett einen Brief schreiben und ihm mitteilen, daß Maxies Enkelin ihn kennenlernen möchte. Ich vermute, daß er prompt antworten wird, und dann werden wir ihn besuchen. Ganz einfach.«
»Und wenn er nur mich sehen möchte?«
»Diese Möglichkeit habe ich allerdings auch schon bedacht, und deshalb brauchen wir einen guten, soliden Grund, damit ich als Ihr Begleiter auftreten kann. Sie würden wohl nicht gern noch heute nachmittag heiraten wollen, oder?«
»Ich würde mich lieber bei lebendigem Leib rösten lassen«, erwiderte sie aufrichtig.
Mike lachte. »Sie waren gern verheiratet, wie?«
Sie sah ihn aus schmalen Augen an. »Sie wissen, daß es für alle Scheidungen in diesem Lande einen Grund gibt.«
Dave hatte ihm kaum etwas von Samanthas Ehe erzählt und nur erwähnt, er habe sie zur Scheidung ermutigt und ihr dabei geholfen. Trotz dieser Tatsache mußte er sich über ihre Feindseligkeit wundern. Als er auf ihre Hand hinunterblickte, die vor ihm auf dem Tisch lag, wußte er, daß er sie nicht berühren sollte, weil sie offenbar eine Aversion dagegen hatte, angefaßt zu werden - zumindest von ihm -, aber er konnte sich einfach nicht beherrschen.
Er nahm ihre Hand - wie klein sie doch war im Vergleich zu seiner! - und küßte sie auf die Innenfläche. »Ich könnte Ihnen eine großartige Hochzeitsnacht versprechen.«
Sie entriß ihm wütend ihre Hand.
Er seufzte. »Hassen Sie alle Männer oder nur mich?« Er staunte, wie sehr er sich wünschte, daß sie ihm versicherte, sie habe nichts gegen ihn persönlich.
Doch Samantha beantwortete seine Frage nicht, sondern sagte, auf ihren Teller mit den Rühreiern hinunterschauend:
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