Jene Nacht im Fruehling
betrachtete sich Samantha im Spiegel und seufzte. Was Mike der Friseuse soeben angeschafft hatte, hatte sie dieser selbst sagen wollen, aber das spielte keine Rolle. Hier ging es ums Prinzip.
Während nun eine Maniküre hinzukam, die sich mit ihren Nägeln beschäftigte, machte sich die Friseuse über ihr Haar her, kürzte es um ein beträchtliches Stück und begann es dann, in Stufen von unterschiedlicher Länge zu schneiden. Mit jedem Zoll Haar, um das sie erleichtert wurde, fühlte Samantha sich jünger und unbeschwerter. Und sie konnte bereits erkennen, wie die Locken sich um ihr Gesicht ringelten, ehe die Friseuse ihr die Trockenhaube überschob. Als ihre Frisur dann fertig war, schüttelte Samantha den Kopf und lachte.
Mike trat neben ihren Stuhl und betrachtete mit ihr zusammen ihr Spiegelbild. »Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie noch hübscher aussehen könnten«, sagte er leise, Samantha abermals in Verlegenheit bringend. »Aber nun weiß ich es besser.«
Dann nahm er sie bei der Hand und führte sie zu einem anderen Stuhl, wo ihr eine Lektion in der Kunst des Make-up erteilt und am Schluß eine kleine Einkaufstüte mit Kosmetik- und Hautpflegeartikeln ausgehändigt wurde. Sie wäre gewiß vor Schreck vom Stuhl gefallen, wenn sie erfahren hätte, daß allein der Inhalt dieser kleinen Tüte mehr als dreihundert Dollar kostete.
Es war bereits später Nachmittag, als Samantha in einem roten Christian-LaCroix-Kostüm, mit lockigem kurzen Haar und perfekt zurechtgemachtem Gesicht an Mikes muskulösem Arm das Kaufhaus Saks wieder verließ. Sie trugen keine Einkaufstaschen, da Vicky ihnen versprochen hatte, Samanthas Einkäufe zustellen zu lassen. Als sie diesmal die Parfümabteilung im Erdgeschoß passierten, rissen sich die großgewachsenen, gertenschlanken jungen Damen förmlich darum, Samantha eine Kostprobe ihrer Dufterzeugnisse anzubieten, aber Samantha winkte jedesmal ab. Mike blieb jedoch am Lancome-Tisch stehen und wählte dort, trotz Samanthas nicht ganz aufrichtiger Proteste, »Tresor« für sie aus, für das er bar bezahlte.
Die kleine Parfümflasche fest in ihren Händen haltend, als wäre sie aus purem Gold, blickte Samantha zu Mike auf. »Danke«, flüsterte sie, »vielen Dank für diesen schönen Tag.«
Er lächelte - ein Lächeln des Stolzes und der Freude -und fragte: »Möchten Sie nicht etwas essen?«
»Ja«, erwiderte sie leise, »ich sterbe fast vor Hunger.«
Da nahm er wieder ihren Arm und führte sie hinaus auf die Straße. Als sie aus der Drehtür kamen, bemerkte Samantha daß Mike nach wie vor stolz war, mit ihr gesehen zu werden. Es spielte offenbar wirklich keine Rolle für ihn, ob sie wie jetzt ein Modellkostüm trug oder wie vor Stunden noch ihren alten schäbigen Jogginganzug.
7
Während sie zum Haus zurück schlenderten, konnte sich Samantha nicht oft genug ans Haar fassen und mit den Fingern die Locken nachspüren, die sich um ihr Gesicht ringelten.
»Gefällt Ihnen Ihre neue Frisur?« fragte Mike, und sie nickte.
Sie bemerkte gar nicht, daß sie nun viel aufrechter ging und viel längere Schritte machte als auf dem Hinweg. Und obgleich Mike bedauerte, daß sie sich nun nicht mehr an ihn klammerte, wurde er dafür doch durch den Anblick ihres strahlenden Lächelns entschädigt und freute sich, daß sie sich so gut fühlte, wie sie aussah.
Als sie sich seinem Haus näherten, war es Samantha, die zuerst die Frauen entdeckte, die auf seiner Vortreppe warteten. Es waren vier Personen, und schon aus dieser Entfernung konnte man unschwer erkennen, daß sie nicht das waren, was ihre Mutter als »brave« Mädchen zu bezeichnen pflegte. Dafür saßen ihnen die Kleider zu stramm auf dem Leib, waren zu grell in der Farbe, und ihre gepuderten Gesichter hatten einen zu starken Kontrast zwischen Lippen, Augen und Wangen. Drei von ihnen rauchten, zwei von ihnen hockten auf dem eisernen Geländer und machten keine Anstalten, ihre überaus knappen Röcke über jene Körperteile zu ziehen, die sie beim Sitzen entblößten.
»Ich glaube, Sie haben Besuch.« Samantha merkte, wie sich ihre Stirn bewölkte, denn sie hatte sich schon darauf gefreut, sich mit einer Salatplatte, die sie in einem der Delikatessengeschäfte bestellen wollte, im Garten niederzulassen, wo es jetzt angenehm kühl sein mußte. Doch nun schien sie gezwungen zu sein, sich in die Räume ihres Vaters zurückzuziehen.
Als Mike bemerkte, wie sich ihr Gesicht verdüsterte, drückte er ihre Hand, die sie unter seinem Arm
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