Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
ihrer Auseinandersetzung an diesem Morgen war sie nach unten gegangen und hatte Mikes Tasche mit seinen Sportsachen in der Vorhalle stehen sehen, was bedeutete, daß er sich offenbar vorgenommen hatte, in die Turnhalle zum Kraft-Training zu gehen, sobald sie nach Maine abgereist war. Als sie ihn nach der Tatsache und seinen Plänen für den heutigen Tag fragte, hatte er zur Antwort gegeben, daß er selbstverständlich hier bei ihr im Haus bleiben wolle. Sie hatte ihre ganze Überredungskunst aufbieten müssen, bis er sich bereit fand, wie geplant zum Training zu gehen. Sie mußte ihn aus dem Haus haben, weil ihr etwas, das er im Verlauf ihrer Auseinandersetzung erwähnt hatte, sehr zu schaffen machte. Mike hatte gesagt, daß sie ihm bei seinen Nachforschungen nicht helfen könne, weil sie zu große Angst vor der Großstadt habe und sich nicht weiter vom Haus zu entfernen traute als bis zur nächsten Straßenecke.
    Was er gesagt hatte, traf zu. Samantha wußte, daß sie ihren ganzen Mut zusammennehmen mußte, um sich allein auf die Straßen von New York hinauszuwagen. Aber sie konnte sich schwerlich ihr ganzes Leben lang in Mikes Haus verstecken. Sobald sie - oder falls sie - ihre Großmutter wiederfinden würden, würde sie die Stadt und Mike verlassen müssen. Aber wie konnte sie auch nur daran denken, allein zu leben, solange sie nicht einmal die Courage besaß, ohne Begleitung aus dem Haus zu gehen?
    Inzwischen war Mike ins Sportzentrum gegangen, und nun wagte sich Samantha ganz allein hinaus in den Dschungel dieser berüchtigten, lärmenden, schmutzigen Metropole voller ihr fremder Menschen. Kein Gladiator, der sich in der römischen Arena den Löwen zum Kampf stellen mußte, hatte mehr Angst gehabt als Samantha; keinem heiligen Georg, der sich einem feuerspeienden Drachen gegenübersah, war es banger ums Herz gewesen als ihr.
    Sie ging die Vierundsechzigste Straße hinunter und seufzte erleichtert auf, als sie die Fahrbahn überquerte und ihr bisher noch niemand ein Messer an die Kehle gesetzt oder einen Revolver in die Rippen gedrückt hatte. Nachdem sie die breitflächige Park Avenue überwunden hatte, die, zum großen Teil noch zu den Wohnbezirken zu gehören schien, bewegte sie sich nun mit gesenktem Kopf und einem bis zum äußersten strapazierten Wagemut auf die Madison Avenue, dem Zentrum des Dschungels, zu.
    Als sie die ersten beiden Blocks passierte, hatte sie solche Angst, daß sie keinen Blick auf ihre Umgebung zu werfen wagte. Aber als sie der Madison Avenue näher kam, konnte sie nicht umhin, die uniformierten Portiers zu bemerken, an denen sie vorbeikam, und die ihr zulächelten und mit der Hand an ihre Schirmmützen tippten. Zaghaft begann sie, deren Lächeln zu erwidern - zumindest sahen diese Uniformierten nicht wie Straßenräuber oder Drogenhändler aus.
    Als sie dann die Madison Avenue erreichte, bog sie nach rechts ab und ging in nördlicher Richtung weiter -drei Häuserblocks weit mit streng geradeaus gerichtetem Blick. Sie fragte sich, wie tief sie denn noch in das Zentrum der Metropole Vordringen müsse, bis sie sich etwas bewiesen und den Nachweis erbracht hatte, daß sie durchaus allein in dieser Stadt ausgehen könne, ohne vor Angst zu sterben. In Gedanken sah sie sich bereits vor Mike hintreten und ihm mit trotziger Stimme erklären, daß sie den ganzen Nachmittag allein die Straßen New Yorks durchstreift und dieses gefährliche Abenteuer überlebt hatte.
    Als sie die vierte Querstraße erreicht hatte, fing sie an, auch auf ihre Umgebung zu achten, und da die Madison Avenue in ihrem innerstädtischen Verlauf ausschließlich von Geschäften flankiert wird, bedeutete das, daß sie nur Schaufenster mit darin ausgestellten Waren vor Augen hatte. In Santa Fe waren die Auslagen der Läden zumeist mit Artikeln vollgestopft gewesen, welche die Touristen als Andenken mit nach Hause nehmen sollten - mit T-Shirts, die mit irgendwelchen idiotischen Sprüchen bedruckt waren; mit Tonkrügen, schlampig gearbeiteten Indianerpuppen und Koyoten auf jeder nur denkbaren Präsentationsfläche. Und all dieser Ramsch war mit dem Vermerk versehen, daß es sich um >echte Handarbeit< handle, als hätte man in anderen Teilen der Welt bereits Roboter gefunden, die die Maschinen zur Herstellung billiger Touristenartikel bedienten. Neben diesen Ramschläden gab es in Santa Fe auch unzählige Galerien, die mit überteuerten indianischen Kunsterzeugnissen handelten. Die wenigen >normalen< Geschäfte boten Waren der

Weitere Kostenlose Bücher