Jennerwein
Armee wurde vom preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm in höchsteigener Person angeführt. 130 000 Soldaten, das Gros von ihnen Bayern, waren vorerst zwischen Germersheim und Landau in der Pfalz in die provisorischen Quartiere geworfen worden. Etwa 100 000 Mann an Reservetruppen hielt Generalstabschef Helmuth Graf von Moltke zusätzlich in der zweiten Linie bereit. Den somit etwa 524 000 Bewaffneten des Norddeutschen Bundes sowie seiner süddeutschen Vasallen standen auf französischer Seite ungefähr 336 000 Uniformierte gegenüber. Trotz dieser Unterlegenheit waren es linksrheinische Trompeten, die am 2. August zum ersten Angriff des Krieges auf Saarbrücken bliesen. Vom Feldherrnhügel aus durfte Napoleon III. Zeuge werden, wie die preußischen Truppen, welche die Stadt besetzt hatten, zurückgeschlagen wurden. Zwei Tage später freilich, am 4. August, traten norddeutsche und dazu starke bayerische Verbände der Dritten Armee bei Weißenburg zur Gegenoffensive an.
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Das Biwak, in dem Jennerwein, Pföderl und die übrigen etwa 200 Infanteristen der Kompanie die Nacht verbracht hatten, war schändlich naß gewesen. Auf dem schlammigen Grund war immer wieder das Sickerwasser durch die Zeltleinwände gedrungen, und nun, im Morgengrauen, hegten die Schützen schwere Bedenken, ob ihr Pulver wohl trocken geblieben war. Verludert war auch ein Teil der Verpflegung während der endlosen Bahnfahrt und dann in der feuchtdunstigen Dunkelheit, doch ehe das Meckern deswegen allzusehr ausufern konnte, kam bereits der nervös gebrüllte Befehl zum Abmarsch.
Georg Jennerwein wußte, daß nicht nur die eigene Kompanie vorrückte, sondern das gesamte Erste Bayerische Armeekorps des Generals von der Tann – und in diesem ungeheuerlichen Verband wiederum auch das Dritte Infanterieregiment Prin2 Karl von Bayern, dem er selbst und die Kameraden im ungleich kleineren Rahmen angehörten, doch in der Realität sah er im Augenblick nichts weiter als ein Dutzend Männerrücken vor sich. Wippende Gewehrläufe dazu, Helme, Kochgeschirre, Brotbeutel und Spaten, und der aufgeweichte Boden schien noch zertrampelter und grundloser als im Biwak, und die Laune des Girgl verschlechterte sich mit jeder Viertelmeile mehr.
»Scheißkrieg!« wandte er sich schnaufend an seinen Nebenmann. »Lieber pirsch’ ich eine Woche lang vergeblich auf einen Gamsbock und lass’ mich dabei von einem Dutzend Jägern hetzen! Wär’ immer noch nicht so schlimm wie das hier! Ich frag’ mich, warum wir für die Prinzen und die Herren Generäle eigentlich den Schädel hinhalten müssen?!« Einen fetten gelben Schleimfladen spuckte der Girgl zwischen seine Stiefel, dann ließ er einen derart Groben fahren, daß sein Hintermann unwillkürlich aus dem Tritt kam.
»Die da oben machen’s aus – und wir baden’s eben aus«, erwiderte der Landser zu seiner Linken. »Und wenn das, was du gerade gesagt hast, der Hauptmann hört, dann läßt er dich an die Wand stellen. Standrechtlich, wie sie’s nennen. Weil jetzt, wo wir in die Schlacht gehen, das Meckern als Vaterlandsverrat gilt!«
»Auf das Vaterland scheiß’ ich genauso!« fuhr der Grauäugige auf. »Hab’ nie was gehabt davon, in meinem ganzen Leben nicht! Kreuzkruzitürken auch! Ich hart’ doch nach Tirol abhauen sollen, rechtzeitig! Jetzt hab’ ich den Dreck im Schachterl!«
»Meinst du, da bist du der einzige?« wies ihn der andere, dünn grinsend, zurecht. Gleich darauf zog er den Schädel ein, riß die Knarre von der Schulter, zischelte: »Sakrament, da vorne, da kracht’s schon!«
In der Tat waren die Vorhuten auf französische Patrouillen gestoßen. Die Kompanie des Georg Jennerwein spritzte nach links und rechts weg, in die Gräben, in die schlammige Deckung hinein. Drüben, im Weichbild von Weißenburg, gab es die ersten Toten und Verwundeten. Bleichgesichtig, mit einem plötzlichen Quälen im Gedärm nahmen es die meisten zur Kenntnis; einer freilich schien fiebrig geil zu werden angesichts des vorerst noch zögerlichen Metzeins. Johann Pföderl war es, der Gefreite, der gleich neben dem Korporal in der nassen Erdschrunde hockte, und während vorne jetzt weitere Stoßtrupps vorgingen, knurrte der Miesbacher, nicht weniger grimmig als vorhin der Jennerwein: »Scheißdreck!«
»He!« fuhr ihn, unter der verrutschten Pickelhaube heraus, der Unteroffizier an.
»Weil’s wahr ist!« schnaubte der Pföderl, schien auf einmal ganz auf seine übliche Unterwürfigkeit dem Vorgesetzten
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