Jennerwein
geht der Jennerwein mit!« ordnete der Unteroffizier unmittelbar darauf an. Dem Gefreiten schien plötzlich erneut der Schweif zu schrumpfen.
Das Schießen aber hatte er gelernt. Nicht erst jetzt im Manöver. Auf der Rangliste der Kompanie ballerte sich Johann Pföderl nach vorne. Brachte Kugel um Kugel ins Schwarze. Allein der Jennerwein hielt mit ihm Schritt. 98 Ringe hatte der Gefreite Pföderl zuletzt in der Kladde stehen, Georg Jennerwein 96. Der Hauptmann kam heran und befahl das Stechen. »Derjenige, der als erster die zehn Dutzend erreicht, ist Kompaniesieger beim Manöverschießen«, bellte er. »Zeigt, was ihr könnt, Männer!«
Daß der Jennerwein tückisch auf ihn lurte, so kam es dem Pföderl auf einmal vor. Doch zusammenscheißen konnte er ihn nicht deswegen, trotz seiner Litzen. Es wäre ungut angekommen beim Hauptmann, der sich noch immer ganz in der Nähe aufhielt. Also atmete der Gefreite bloß tief durch und zog den Kolben an die Schulter. Im gleichen Augenblick rückte ihm der Girgl fast auf Tuchfühlung auf den Pelz. Verbissen brachte Johann Pföderl Kimme und Korn in die Linie und suchte den Druckpunkt. Im gleichen Augenblick, in dem er trotz allem das richtige Gefühl verspürte, vernahm er das Zischeln: »Triff besser ins Schwarze als bei den Weibern!«
Der Schuß krachte aus dem mentalen und damit auch körperlichen Verreißen heraus. »Fahrkarte!« brüllte von drüben, vom Waldrand her, die Ordonnanz. Der Hauptmann ließ ein Raunzen hören. Georg Jennerwein grinste, schlug seinerseits die Muskete an, und Johann Pföderl durfte ihm nach wie vor nicht ans Leder.
Einen glatten Zehnerring schaffte der Gemeine, mitten ins Zentrum der Mannscheibe schlug seine Kugel. 106 zu 98 stand es damit für den Grauäugigen, die Kameraden begannen zu raunen, und dann war erneut der Gefreite an der Reihe. Lange zielte der Pföderl; der Jennerwein ließ ihn in Ruhe diesmal, der Knall kam, die Pulverwolke, und dann signalisierte die Ordonnanz wieder einen Zehner: 108 zu 106 für den Dunklen.
Wenn er jetzt einen schwachen Schuß tut, dachte aufatmend der Hans, dann kann ich’s doch noch schaffen! Ich spür’s! Er kriegt mich nicht unter, der Sauhund! Ich schieß’ wieder einen Zehner! Ich werd’ ihm beweisen, daß ich besser bin als er!
Georg Jennerwein, als hätte er die Gedanken des anderen erraten, verzog wie schmerzlich den Mund. Eine Sekunde lang schien sein schiefer Schneidezahn gegen den Gefreiten hin zu blecken. Danach visierte der Gemeine eine kleine Ewigkeit, wie’s dem Pföderl schien; als er endlich den Hahn abschlug, schien er zu verreißen. Magere vier Ringe zeigte der Mann drüben am Waldrand an. Von 106 bloß auf 110 war der Girgl gekommen. Einen gepreßten Fluch ließ er aus sich fahren, stieß den Musketenkolben hart auf den Boden und handelte sich dafür vom Hauptmann einen mißbilligenden Blick ein. Johann Pföderl aber hatte jetzt Oberwasser. Das Serienglück des Widersachers schien gebrochen. Ein heißes Glücksgefühl durchströmte den Miesbacher, als er erneut feuerte; schon im Augenblick des Abdrückens spürte er, daß die Kugel ins Zentrum fetzen würde – und so war es auch. 118 zu 110 stand es nunmehr für den Gefreiten. Wenn er mich jetzt noch schlagen will, muß er einen Kernschuß tun, dachte, halb im Siegesrausch schon, der Pföderl. Aber den bringt er nicht mehr zusammen; nicht nach dem kläglichen Vierer!
Jetzt war er es, der grinsen durfte; ausgiebig tat es der Miesbacher, fixierte dabei den Gemeinen aus scharf zusammengekniffenen Augenschlitzen heraus. Und der Jennerwein war es auf einmal, der mit dem krummen Buckel dazustehen schien; besiegt. Der des Gefreiten Grinsen bloß noch mit schiefem Maul zu beantworten vermochte.
Fahrig lud der Girgl, hastig, wie desinteressiert. Stopfte die Kugel fest, setzte das Zündhütchen auf, als ginge ihn das alles in Wirklichkeit gar nichts mehr an. Urplötzlich aber, Johann Pföderl bekam es in seiner Überraschung überhaupt nicht richtig mit, hatte Georg Jennerwein den Kolben an der Schulter, und noch aus dem Anschlagen heraus dröhnte der Schuß. Fahrkarte, unbedingt! dachte der Gefreite, während über dem Stand noch der Pulverqualm waberte. Doch dann sah er drüben das Zehnersignal, gleichzeitig brandete unter den Umstehenden frenetischer Beifall auf. Die 120 Ringe, den Sieg, hatte Georg Jennerwein sozusagen mit der linken Hand geschafft. Wie vom Schlag getroffen, stand Johann Pföderl da; zwei oder drei Lidschläge
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