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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Sonntag, gerat’ ich am End’ mitten unter die Kirchgänger hinein. Besser, ich mach’ mich ins Tegernseer Revier davon…
    Den Rucksack wieder auf den Buckel, den Stutzen blitzschnell wieder geladen – und los. Gut ging’s; einen eingeschrundeten Bachlauf erreichte Georg Jennerwein, und über die Kugel, die der Sieberer ihm jetzt nachsandte, konnte er nur lachen. Einen Haken schlug er gleich darauf, aus dem Rieseltal wieder heraus und mehr nach Nordwesten, um den Schlierseer damit zu täuschen. Der Hochwald nahm den Wilderer auf; schon glaubte er sich in Sicherheit, bloß den Bock mußte er noch irgendwo ins Versteck bringen, den Stutzen dazu, und dann konnte er sich auf Umwegen zurück in die Unterschwaig trollen.
    Im gleichen Augenblick, da er dies dachte, sah er – siebzig, achtzig Schritt entfernt – die Geierfeder wippen. Verwaschen klang ein Schrei herüber; die Pulverwolke und mit ihr die Kugel folgten unmittelbar darauf. Sein Instinkt fetzte den Girgl ins Unterholz hinein; der eine Rucksackriemen riß, ohne seine Beute hetzte der mit dem Spielhahnstoß durchs Dornenstacheln und Zweigpeitschen weiter. Auf den Westerberg floh er jetzt wieder zu; ihm auf der Spur blieb Johann Pföderl, feuerte nach einer Weile noch einmal; ungezielt freilich, wie es dem Jennerwein schien. Drei, vier Dutzend Sprünge weiter allerdings schlug es hart neben seinem Schädel durchaus gezielt in einen Föhrenstamm ein. In die Zwickmühle war der Wilderer geraten; die Detonationen von Westen her hatten dem Sieberer im Osten wieder den richtigen Weg gewiesen.
    Erneut ins Gestrüpp hinein rollte sich der Schiefzähnige ab, zog im Herumwirbeln die Stutzenhähne auf, schoß in die Richtung des Staatlichen, dann dorthin, wo die Geierfeder sein mußte. So gewann er noch einmal ein Quentchen Vorsprung auf die immer noch im Mittag stehende Sonne zu – sah aber dann plötzlich den trümmerdurchsetzten Steilhang vor sich. Er wollte springen, sich hineinwerfen, doch hieb ihn die Furcht vor dem Abgrund mehrmals jäh wieder zurück – und zuletzt krachte in sein panisches Zaudern hinein ein weiterer Schuß. Der Sieberer hatte ihn abgegeben; der Pföderl, weiter drüben, brüllte wild auf vor Freude, denn jetzt – endlich – durfte er Zeuge werden, wie der Widersacher zusammenbrach, stürzte.
     
    *
     
    Nachdem die beiden Jäger die Klamm endlich umgangen hatten, fanden sie von Georg Jennerwein freilich bloß noch die dürftige Blutspur. Er selbst war verschwunden, wie weggehext, und auch das Nachforschen in der Unterschwaig und in Westenhofen brachte nichts. Vielmehr erklärten der Wastl und der Lorenz schlitzohrig, daß der Girgl schon vor Tagen nach Tirol gegangen sei, um dort eine andere Holzarbeit anzunehmen. So hatten die Lodenen zuletzt doch wieder das Nachsehen, denn das Gegenteil war nicht zu beweisen; gerichtsrelevant erkannt hatten sie bei der Hatz das Gesicht des Wilderers leider nicht.

Agatha
     
    Die Baumgartenalm, das gesamte Revier ringsum; all dies war jetzt sein. Johann Pföderl, vom Mayr wegen seines mutigen Einsatzes im monatlichen Bericht an den Wittelsbacher erwähnt, war der Sieger. Hinter die Sieben Berge verscheucht war der Jennerwein, so oder so.
    »Geh schon her!« lockte der Dunkle an diesem Juniabend die Sennerin. »Brauchst dich nicht zu zieren mir gegenüber! Sag selber: Ist ein Jäger eine Partie oder nicht? Erst neulich hat’s der Förster mir in Aussicht gestellt, daß ich eines Tages sein Nachfolger werden könnt’. Dann hätten wir das Diensthaus, den Grund dazu, und du könntest in der Kirche neben der Lehrersfrau und der Pfarrerköchin im vordersten Stuhl hocken. Also, jetzt komm, Agerl! Laß mal nachschau’n, was du für ein Holz vor der Hütt’n hast!«
    Verändert hat er sich, dachte die resche Schwarzhaarige von der Baumgartenalm. Früher, da hat er nichts im Kopf gehabt als das Pirschen. Aber seit er am Westerberg zum Schuß gekommen ist, hat er sich herausgemacht. Sie begann zu kichern. Zum Schuß kommen – das wollte er jetzt bei ihr. Und abgeneigt war sie beileibe nicht. Langweilig war das Bergleben die meiste Zeit. Außerdem machte ein Jäger wirklich mehr her als bloß irgendein Holzknecht, ein abgerissener. »Aber zerreiß mir das Pfoad nicht gleich!« mahnte sie ihn noch, während sie zu ihm auf die Ofenbank schlüpfte.
    Ins Brustfleisch wühlte der Pföderl sich ein. Zuerst noch im Sitzen, dann, drüben in der Kammer, im Liegen. Die Agatha machte es ihm leichter, als er es sich

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