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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Plan. »Jetzt noch etwas«, raunzte Johann Pföderl, als er zuletzt das freilich noch zögerliche Einverständnis des anderen spürte. »Hast du denn gar keinen Verdacht, wer von den Schlierseer Burschen es gewesen sein könnte?«
    »Da käme nicht bloß einer in Frage«, erwiderte der Kühlechner nach einigem Besinnen. »Das Wildern ist halt ein alter Volksbrauch im Gebirge. Wenn dann noch die Regierung nichts taugt, wenn die Not auf den Gütln und den kleinen Bauernhöfen durch die Fensterlöcher schielt, dann greift mancher zum Stutzen, ohne daß ihn deswegen das Gewissen drückt. Schießt sich halt einmal einen Braten und gibt dann wieder Ruh’. – Hingegen gleich drei Stück Wild in einer einzigen Woche, wie’s auf der Baumgartenschneid und am Hahnenkopf vorgekommen ist, das ist ungewöhnlich. Da muß einer unterwegs gewesen sein, der nicht bloß aus der Armut heraus gewildert hat. – Beweisen kann ich nichts, aber man hört, der ledige Holzknecht von der Unterschwaig treibt’s bunt. Ist oft unterwegs in der Nacht, läßt auch in den Wirtshäusern viel springen…«
    »Ja, Kreuzkruzitürken, dann muß man eine Haussuchung halten bei dem!« unterbrach Johann Pföderl erregt den Schlierseer.
    »Bei dem Schläger und Raufer?!« verwahrte sich erschrocken der Kühlechner. »Bloß auf einen Verdacht hin?! Das könnt’ böse ausgehen für uns Jäger. Ich und der Sieberer sind nicht mehr die Jüngsten. Und der andere, dieses Bracklmannsbild {72} , der Jennerwein…«
    »Was sagst du da?! Wie heißt er?!« Die Lippen Pföderls zitterten in jähem Erschrecken, in jäher Wut. Die Fäuste krampfte er um sein Gewehr, als wollte er es zerbrechen.
    »Jennerwein«, wiederholte der Kühlechner, ob der Reaktion des anderen verdattert. »Georg mit Vornamen. Ein Blonder ist er, hat einen schiefen Zahn im Mund, und auf dem Hut trägt er eine Spielhahnfeder…«
    »Den kenn’ ich! Brauchst ihn mir nicht zu beschreiben!« schrie der Dunkelhaarige. »Bin ja in einer Kompanie gewesen zusammen mit ihm. Ein Lump ist er schon dort gewesen; ein Falott, ein Anarchist! In meiner Korporalschaft wenn ich ihn gehabt hätt’, ich hätt’ ihm den Arsch schon aufgerissen! Aber egal! Jetzt steht er auf einer anderen Abschußliste! Soll sich bloß noch einmal herüberwagen in mein Revier, samt seiner frechen Spielhahnfeder! Dann krieg’ ich ihn! Dann kommt er mir nicht noch einmal aus!«
    »Du weißt aber schon, daß du ihn zuerst warnen mußt, wenn du ihn wirklich stellst«, versetzte, der Kühlechner. »Bloß wenn einer Widerstand leistet oder flieht, ist unsereinem das Schießen erlaubt!«
    »Ich kenn’ meine Vorschriften!« schnaubte Johann Pföderl. »Und jetzt sag drüben auch dem Sieberer und eurem Förster Bescheid! Ich werd’ mich die nächste Zeit um die Baumgartenschneid herum in den Hinterhalt legen. Wenn’s dort oben dann knallt, müßt ihr aufpassen. Ich treib’ euch den Hundsteufel auf die Grenze zu und schieß’ dabei noch ein paarmal. So wißt ihr, wo er steckt, und dann schnappt ihr ihn euch, sobald er sich im Schlierseer Revier in Sicherheit glaubt.«
    »Ein Scharfer bist du schon, gell?« erwiderte – halb anerkennend, halb noch immer verunsichert – der Kühlechner.
    »Was meine Pflicht ist, das hab’ ich unter der Fahne gelernt«, beteuerte der Tegernseer. Während er dann zurück zum Forsthaus marschierte, schien ihm jeder Tritt den Namen des Widersachers durch den Schädel zu hämmern, und gleichzeitig schien über dem Horizont eine Spielhahnfeder herausfordernd zu wippen.
     
    *
     
    Den Büchsenlauf ließ Johann Pföderl hochrucken, natternschnell, als von oben, von der Felsschrunde herunter, das Geräusch kam. Wochenlang hatte der Tegernseer Jagdgehilfe nun schon im Umkreis der Baumgartenschneid auf den Jennerwein gelauert; freilich vergeblich bisher. Jetzt aber schien sich dort oben in der Steinbastion, im Latschenverhau etwas zu tun. Tiefer in die Erdrunse, in den Schützengraben duckte sich der Pföderl. Über die Deckung hinaus schob er vorsichtig den blauschwarzen Stahl. Erneut schien droben, unterm verhangenen Himmel, etwas zu schleifen und zu streifen. Mit der hohlen linken Hand dämpfte der Jäger das Hahnknacken ab. Gleich, er wünschte es sich mit allen Fasern, würde das Weiße im Auge des Feindes zu erkennen sein. In der Tat wurde einen Lidschlag später, gut in Schußweite, etwas Fiedriges sichtbar. Das Bild einer Spielhahnfeder blitzte dem Schießwütigen durchs Gehirn; den vorgeschriebenen

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