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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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seinem Dienstbereich gehörte. Was der Mayr ihm damals über die Wildschützen gesagt hatte, war schuld daran; nie hatte Johann Pföderl es innerlich verwunden, daß eine unsichtbare Linie im Fall des Falles imstande sein sollte, seinen Schuß, seinen Kugelflug zu hemmen. Deswegen tat er mehr, als von ihm verlangt wurde; deswegen streifte er immer häufiger an der Bruchkante des verbotenen Terrains entlang. Einer, den er aufs Korn hätte nehmen können, kam ihm vorerst dabei freilich nicht vor die Büchse, auch wenn er sich genau dies im Hinterkopf brennend ersehnte. Aber er konnte es sich immerhin ausmalen, wenn er im Gebüsch auf einem der Grenzkämme lauerte, und so er dann die Flasche aus dem Rucksack holte und den Schnaps oft ausufernd schluckte, dann geschah es ihm mehr als einmal, daß er im Irrlichtern des Alkohols das fiktive Hetzen, das Stellen, den Widerstand und das finale Feuern leibhaftig erlebte. Daß er die Kugel hineinplatzen sah ins Menschenfleisch und den Tod herausplatzen sah aus den feindlichen Augen, und dann war er wieder im Krieg, unumkehrbar, und auch das Folgende malte sich ihm dann wie von selbst aus – der Triumph im Dorf, die Belobigung durch den Vorgesetzten, ein weiterer Orden vielleicht.
    Bis in die Nacht hinein irrlichterte es dem Hilfsjäger manchmal auf diese Weise durch den Schädel; in der schwarzen Dunkelheit mußte er sich zuletzt den Weg zurück nach Tegernsee suchen. In der Kammer dann, unterm Gewehr, trank er oft noch weiter und lockte die kranken Träume wieder hervor – die bestialischen Einbildungen, die dann im Herbst dieses Jahres 1872 plötzlich einen ganz konkreten Hintergrund bekamen.
     
    *
     
    »Drei Stück Wild! Weggeschossen auf der Baumgartenschneid und am Hahnenkopf in einer einzigen Woche!« belferte der Lechenauer. »Und keine Spur von dem Hundsfott, der’s getan hat! Nichts als der Aufbruch im Gestrüpp oder im Moos! Uns zum Tratzen hingeworfen! Und ein paar magere Spuren, die hinüberweisen in die Schlierseer Gegend!«
    »Dann ist der Lump auch dort drüben daheim!«schnaubte Johann Pföderl. »Zu meinem Pirschgebiet wenn die Baumgartenschneid und der Hahnenkopf gehören würden, ich hätt’ ihn gestellt! Oder wär’ ihm nach, wenn’s hätt’ sein müssen, über die Grenze hinüber!«
    »Ja, du redest dich leicht. Aber das Jagdrecht erlaubt’s halt nicht«, erwiderte der Lechenauer.
    »Dann muß man sich eben mit den Schlierseer Jägern ins Einvernehmen setzen«, beharrte sein Kollege. »Muß sich abstimmen mit ihnen, daß man ihnen den Hund zutreiben kann, wenn man ihn bei uns herüben erwischt. So wird’s beim Militär auch gemacht! Hör zu, Lechenauer! Gib mir Urlaub für heut! Ich geh’ hinüber nach Schliersee. Ich red’ ein Wort mit den Staatlichen. Und dann, wenn sie mitspielen, tauschen wir beide das Pirschgebiet. Dann leg’ ich mich dort auf die Lauer, wo der Teufel zugeschlagen hat. Und dann kriegen wir ihn, das schwör’ ich dir!«
    Der Lechenauer überlegte. »Wenn du meinst«, brümmelte er zuletzt, »dann gehst du halt. Über das Wechseln beim Pirschen können wir später immer noch reden, falls die Schlierseer mitmachen…«
    Die letzten Worte sagte der Lechenauer schon gegen den Rücken des Pföderl hin. Denn der war schon halb draußen und lief gleich darauf wie gehetzt der Baumgartenschneid zu, die Büchse schußbereit in der Faust.
    Spuren fand er dort oben keine mehr; das Aas hatte der Lechenauer bereits vergraben. Nur die Almhütte stand da, unbewohnt freilich schon um diese Jahreszeit; dunkel erinnerte sich Johann Pföderl daran, daß hier sonst eine Schwarzhaarige namens Agatha sennen sollte. Durch die Lenden zitterte ihm etwas, mischte sich geil mit seinem Jagdhunger; gleich darauf hastete der Pföderl weiter, der Reviergrenze zu. Zwischen der Gindelalmschneid und dem Rainer Berg stieß er dann unversehens auf einen der Schlierseer Jäger, auf den Kühlechner. Wie im Ansprung stellte der Tegernseer ihn, fuhr ihn an: »Zu euch ist er hinüber, das hat der Lechenauer noch feststellen können! Und jetzt lacht er sich ins Fäustchen, weil er bei uns im Revier geschossen hat und ihr ihm deswegen nichts anhaben könnt!«
    »Ja, das ist das Kreuz mit dem wittelsbachischen und dem staatlichen Jagdgrund«, gab der andere, nachdem er begriffen hatte, worum es dem Pföderl ging, zu. »Aber was willst machen dagegen?«
    »Schärfer durchgreifen muß man!« versetzte der Tegernseer, und dann erklärte er auch dem Kühlechner seinen

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