jennissimo (German Edition)
in lockerem Ton, sorgsam darauf bedacht, nicht zu zeigen, wie viel es ihr ausmachte, ein fremdes Rezept nachzukochen. Das war schlimmer als Betrug – auf diese Weise gestand man sich sein eigenes Versagen ein. Früher hätte sie sich einfach alle möglichen Rezepte ausgedacht. Früher, als sie sich noch selbst über den Weg getraut hatte.
Vor ein paar Tagen hatte sie mit einem Käsekuchenrezept herumgespielt. Sie hatte eine so klare Vorstellung davon gehabt, wie der Kuchen schmecken sollte. Doch noch bevor er richtig zu Ende gebacken war, hatte sie ihn aus dem Ofen gezogen und in den Müll geworfen, ohne auch nur zu probieren. Denn zu glauben, dass er schrecklich schmeckte, war immer noch besser, als es zu wissen.
„Ganz bestimmt würden sich die Rachael-Ray-Kochbücher gut bei uns verkaufen“, sagte Violet.
„Glaube ich auch.“
Die Tür ging auf, beide drehten sich um, um den neuen Kunden zu begrüßen. Als Jenna erkannte, dass es sich um Serenityhandelte, unterdrückte sie ein Seufzen.
Sie trug heute eine lange, fließende Tunika in Lila, eine steingraue weite Hose, die ihr nur bis zu den Waden reichten, und Sandalen. Ihre Fußnägel waren violett lackiert, an ihrer linken Fessel klimperte ein filigranes Fußkettchen.
„Guten Morgen!“, rief Serenity fröhlich. „Ich bin kurz vor Tagesanbruch aufgewacht und wusste, dass ich meine Tochter wiedersehen möchte.“
Jenna gab sich alle Mühe, bei den Worten „meine Tochter“ nicht wütend zu werden. Serenity meinte es sicher nicht böse.
„Schön, dich wiederzusehen“, erwiderte sie. „Hast du letztes Mal eigentlich Violet kennengelernt? Sie ist das Hirn hinter der Organisation. Ich bin die Köchin.“
„Wir haben miteinander gesprochen.“ Violet streckte die Hand aus. „Aber ich glaube, wir wurden uns noch nicht vorgestellt. Freut mich, Sie kennenzulernen!“
„Mich auch.“
Serenity ergriff die Hand, hielt sie fest und führte die andere Hand an Violets Gesicht, ohne es zu berühren.
„Ihre Aura ist getrübt“, sagte sie. „Sie sind verunsichert. Aber auf Sie wartet eine glückliche Zukunft.“ Sie runzelte die Stirn. „Noch müssen Sie ein Hindernis überwinden, aber danach kommt alles in Ordnung.“
Jenna starrte sie nur an. Das alles sogar ohne Tarotkarten, dachte sie, bemüht, die Sache mit Humor zu nehmen. Entweder das oder losschreien – doch für einen Schrei aus vollem Halse war es noch etwas früh am Morgen.
Serenity ließ die Hände sinken und strahlte Violet an. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber ich bekomme einfach die Schwingungen von anderen Menschen mit. Tom sagt immer, dass nicht jeder wissen will, was auf ihn zukommt. Er findet, ich sollte mir mehr zurückhalten.“
Richtig, Tom! dachte Jenna.
„Eine glückliche Zukunft ist gut“, sagte Violet. „Danke, das ist wirklich beeindruckend.“
„Passen Sie einfach auf das Hindernis auf.“
„Das werde ich.“
Jenna fragte sich, wie Violet so ruhig und vernünftig bleiben konnte. Vielleicht hatte sie einfach mehr Erfahrung mit abgedrehten Leuten.
„Wir stellen gerade Rezepte für unsere Kochkurse zusammen“, verkündete Jenna. „Wir versuchen, jeden Tag einen abzuhalten. Dabei stellen wir besondere Küchengeräte oder Kochbücher vor. Und für manche haben wir die Zutaten schon vorher zusammengestellt, damit die Kunden sie kaufen und das Essen abends nachkochen können, wenn sie wollen.“
„Das ist wirklich eine gute Idee.“ Serenity las sich den ausgedruckten Terminplan durch. „Wie ich sehe, gibt es Biokochkurse, aber keine veganen.“
„Hier in der Stadt gibt es nicht viele Leute, die einen veganen Lebensstil pflegen. Das ist ziemlich hart.“ In Los Angeles hatte es jede Menge Veganer gegeben, doch Jenna und Aaron hatten sich nicht darauf spezialisiert. Vegetarische Gerichte, ja, aber Veganer aßen überhaupt keine tierischen Produkte. Und was sie betraf, wäre die Welt ohne Butter beispielsweise ein sehr trauriger Ort. Von Käse einmal ganz abgesehen. Ein klein wenig geriebener Käse konnte so ziemlich jedes Gericht retten.
„Hast du schon mal vegan gekocht?“, fragte Serenity.
„Nein. Auf diesem Gebiet habe ich wenig Erfahrung.“
„Solltest du mal versuchen. Auch wenn du nicht vorhast, Veganerin zu werden, könntest du auf diese Weise beginnen, vollkommen anders über Essen zu denken. Ich glaube, das könnte Spaß machen.“
Spaß. Jenna konnte sich nicht daran erinnern, wann Kochen zum letzten Mal Spaß gemacht hatte –
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