jennissimo (German Edition)
immer so klingen.“ Hauptsache anders als meine Mutter, fügte sie stumm hinzu. „Ich hatte eine ganz normale Kindheit.“ Sie lächelte.
Wozu die Wahrheit sagen? Das war nun wirklich kein Thema für ein Date, und wahrscheinlich würde sie es überhaupt nie einer Menschenseele verraten. Warum sollte sie erzählen, dass ihre Mutter die Stadtnutte gewesen war? Oder dass sie kurz vor Violets vierzehntem Geburtstag einem Typen für ein paar Hundert Dollar gestattet hatte, ihre Tochter zu vergewaltigen?
Oh, natürlich nannten sie es nicht Vergewaltigung. Ihre Mutter hatte ihr eine ganz besondere Nacht versprochen, und Violetwusste genug über den Beruf ihrer Mutter, um zu wissen, was geschehen würde. Als sie daraufhin versuchte, wegzulaufen, bekam sie eine derartige Tracht Prügel verpasst, dass die Entjungferung einen Monat verschoben werden musste. Doch irgendwann schließlich hatte der alte Mann sie in ein kleines Haus im nächsten Ort gebracht und sein Ding durchgezogen.
Sie hatte geweint und geschrien, bis er sie so hart geschlagen hatte, dass sie fast das Bewusstsein verlor. Als sie nach Haus kam, gab ihr ihre Mutter fünfzig Dollar und sagte, sie solle sich was Hübsches kaufen. Violet jedoch sparte alles Geld, das sie ihrer betrunkenen Mutter klauen konnte, und rannte in dem Sommer, in dem sie fünfzehn geworden war, endgültig weg.
„Als Teenager lebte ich dann in New Orleans.“
„Tolle Stadt. Hat es dir dort gefallen?“
Sie setzte ein Lächeln auf. „Klar. Da ist immer was los. Es gibt jede Menge Touristen.“
Sie konnte sich nur noch verschwommen an ihre Zeit in New Orleans erinnern. Sie fand schnell heraus, dass Drogen ihr Leben erträglicher machten, und sie war jung und hübsch genug gewesen, um Männer zu finden, die ihre Sucht finanzierten. Meistens ließ sie sich mit Touristen ein, hatte allerdings auch ein paar Stammkunden.
Einer von ihnen, Sam, nahm sie bei sich auf, als ein besonders gewalttätiger Freier sie grün und blau geschlagen hatte. Und er sagte, wenn sie nicht damit aufhöre, wäre sie in fünf Jahren tot. Aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm und beschloss, ihr Leben zu ändern.
„Dann bin ich nach Pensacola gezogen. Dort hab ich in einem Elektrofachmarkt als Telefonistin gearbeitet.“
Außerdem war sie in ein Drogenprogramm der örtlichen Kirche aufgenommen worden und hatte ihr winziges Einkommen mit ein paar wenigen Freiern pro Woche aufgebessert. Sie lernte, Geld zu sparen, ihre Zukunft zu planen und machte auf der Abendschule ihr Abitur nach.
„Dann, ein paar Jahre später, bin ich in die Nähe von Austingezogen. Ich wohne in Georgetown, und es gefällt mir wirklich gut dort. Es gibt so eine Art Gemeinschaftsgefühl.“
Sie hatte beschlossen, irgendwo, wo niemand sie kannte, noch einmal von vorn anzufangen. Vor sechs Jahren hatte sie aufgehört, mit Freiern zu schlafen, und sie hatte auch nicht vor, jemals wieder in dieser Branche tätig zu werden. Sie sparte jeden Monat fast ein Drittel ihres Gehalts und legte es sehr umsichtig an. Egal, was noch geschah, sie war wild entschlossen, immer selbst für ihren Unterhalt aufkommen zu können. Das Leben hatte sie gelehrt, dass man Männern niemals vertrauen konnte.
„Hast du immer im Einzelhandel gearbeitet?“, fragte Cliff.
Violet verschluckte sich fast am Wein. „Mehr oder weniger“, sagte sie. „Den Laden, in dem ich jetzt arbeite, finde ich richtig toll. Jenna ist eine großartige Chefin, und unsere Kunden sind wirklich nett.“
Dann lenkte sie das Gespräch wieder auf ihn.
Gegen Ende ihres Essen wusste Violet einen wirklich guten Cabernet Sauvignon sehr viel mehr zu schätzen – genauso wie Cliff. Er war witzig, klug und ganz offensichtlich verrückt nach ihr. Er erzählte noch mehr von seiner Arbeit. Er gestand ihr, dass er Angst vor seiner Assistentin hatte, einer strengen Frau, die schon seit fast dreißig Jahren in der Firma arbeitete. Er mochte seinen Chef, er fuhr gern Fahrrad, hatte in der Highschool nur wenige Freundinnen gehabt und niemals eine Frau betrogen. Das Interessanteste daran war, dass sie ihm wirklich glaubte. Selbst, dass er nie eine Frau betrogen hatte, nahm sie ihm ab.
Nachdem sie kurz wegen der Rechnung gestritten hatten – sie hatte angeboten, sie zu übernehmen –, gingen sie hinaus in die kühle, klare Nacht. Auf dem Parkplatz nahm Cliff ihre Hand.
„Es war ein herrlicher Abend“, sagte er.
„Finde ich auch.“ Und das Beste daran war, dass sie die Wahrheit
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