jennissimo (German Edition)
dich sehen. Entschuldige die Uhrzeit, aber mein Flug hatte Verspätung. Ich hätte ja bis morgen früh warten können, doch ich konnte meine Neugier keine Sekunde länger zügeln.“
Jenna musterte ihren gepflegten Bruder. Er kam ihr so normal vor. „Möchtest du reinkommen? Ich kann dir was zu essen machen.“
„Bist du sicher? Das wäre toll. Mom hat erzählt, dass du Köchin bist. Wie praktisch. Wahrscheinlich musst du nie hungrig sein.“
„Im Gegensatz zu dir?“ Sie ging ihm voraus durch die Garage ins Haus.
„Jetzt nicht, aber als Kind war es ein echter Albtraum. Dieses ganze vegane Essen.“ Er erschauerte. „Mit sieben habe ich mir Arbeit in den Weinbergen gesucht, nur um etwas Geld zu verdienen. Meinen Eltern sagte ich, dass ich mir Comicheftchen kaufen wollte, aber in Wahrheit habe ich damit das Mittagessen in der Schule bezahlt. Kein Kind hat Lust auf Linsenlaibchen in seiner Lunchbox.“
Sie stellte ihre Handtasche im Wohnzimmer ab und ging in die Küche. „Und was ist mit dieser mentalen Verbindung, die zwischen uns allen fließt?“
Grinsend setzte er sich auf einen Barhocker. „Totaler Bockmist“, verkündete er fröhlich. „Ich bin für meine Eltern eine ständige Enttäuschung. Aber Wolf ist wenigstens perfekt, ersteht auch total auf Bio. Ich bin das schwarze, nichtbiologische Schaf der Familie.“
Jenna durchforstete ihren Kühlschrank. „Ich könnte Hühnchen-Picatta mit Spargel auf Capellini machen. Wie klingt das?“
„Wenn du nicht meine Schwester wärst, würde ich dich jetzt küssen. Entschuldige, dass ich keinen Wein mitgebracht habe.“
Sie deutete auf den kleinen Weinschrank. „Such dir einen aus.“
Das tat er. Kurz darauf schenkte er zwei Gläser ein, und da sie beim Abendessen mit Ellington mehr geredet als getrunken hatte, nahm sie jetzt dankbar einen großen Schluck. Dann legte sie los.
„Mom sagte, du hattest eine Verabredung.“ Dragon setzte sich wieder. „Als dein Bruder möchte ich keine Details wissen. Ich bin nicht scharf auf weitere Verpflichtungen in meinem Leben.“
„Was für eine Verpflichtung denn?“
„Ich müsste ihn verhauen, wenn er dir wehtut.“
Sein sachlicher Tonfall war irgendwie wohltuend. Sie strich Butter auf Baguettescheiben, streute gehackten Knoblauch und frischen Parmesan darüber und schob das Blech in den Ofen.
„Ich weiß sowieso schon alles über dich“, fuhr er fort. „Mom hat regelmäßig angerufen. Wahrscheinlich möchtest du mehr über mich erfahren.“
Jenna klopfte das Hähnchenfleisch flach und wendete es dann in Mehl. „Jede kleinste Einzelheit“, entgegnete sie.
„Nun, ich bin Anwalt. Wirtschaftsanwalt. Als ich meinen Eltern verkündete, dass ich Jura studieren wollte, gingen sie natürlich davon aus, dass ich mich auf Einwanderungsrecht spezialisierte und mein Berufsleben dem guten Zweck widme.“
„Was nicht deiner Vorstellung entsprach?“
„Eher nicht. Ich bin durch und durch Wirtschaftsanwalt. Außerdem muss ja auch irgendwo das Geld für die Steaks und mein schickes Auto herkommen. Es läuft richtig gut. Ich lebe in San Francisco. Hast du eine Ahnung wie es ist, in dieser Stadt erfolgreichund heterosexuell zu sein? Besser geht’s nicht.“
Sicher hätte man Dragon auch leicht als arroganten Schnösel abstempeln können, doch er war so freundlich und lustig, dass man ihn einfach mögen musste.
„Glaub mir, das habe ich verdient“, fügte er hinzu. „Mit einem Namen wie Dragonfly aufzuwachsen, ist echt nicht leicht.“
Sie drehte das leicht gebräunte Fleisch und warf die Nudeln ins Wasser. Der Spargel war schon geschält und geschnittenen. Sie zog das Knoblauchbrot aus dem Ofen.
„Damit du mir vor Hunger nicht vom Stuhl fällst“, sagte sie.
Er nahm einen Bissen und stöhnte auf. „Unglaublich!“, nuschelte er mit vollem Mund. „Das hast du in einer Minute gezaubert. Ich kann nicht fassen, wie gut das schmeckt!“
„Du bist leicht zu beeindrucken.“
„Das sagen die Mädchen immer.“
Jenna lachte. „Ich könnte wetten, dass es Dutzende davon gibt.“
„Selbstverständlich. Obwohl ich in letzter Zeit …“ Er brach ab.
Sie presste Zitronensaft in eine Pfanne. „Ach komm! Jetzt erzählt mir bloß nicht, dass du seriös werden willst.“
„Warum nicht? Ich bin fast dreißig. Wolf ist verheiratet, und Jasmine ist schwanger.“
„Jasmine?“
Dragon grinste. „Die beiden passen perfekt zusammen. Jasmine steht total auf alle Arten von Sprossen. Wenn ich sie besuche,
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