Jenny und der neue Vater
fiel.
Bevor er seinen Entschluss wieder umstoßen konnte, machte er sich auf dem Weg.
Die Hitze der letzten Zeit war ihm nicht so aufgefallen, weil er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Aber jetzt brach ihm der Schweiß aus allen Poren, was sicherlich auch auf den überhöhten Alkoholkonsum des vergangenen Abends zurückzuführen war.
Schon von weitem hörte er Sirenen und sah dann auch die hektisch flackernden Blaulichter. Eine eiskalte Hand griff nach seinem Herzen. Es würde doch Kirsten oder Jenny nicht passiert sein?
Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Auch ihn wollte man zurückhalten, wie die vielen neugierigen Schaulustigen.
„Meine Frau und meine Tochter sind da drin. Gehen Sie beiseite!“, herrschte er dem Beamten an, der dann doch den Weg freigab.
Alexander stürmte voran, dann sah er zu seiner Erleichterung Jenny und Kirsten und natürlich auch Björn, was ihn in diesem Augenblick aber gar nicht störte. Er überlegte, ob er sich bemerkbar machen sollte, oder ob es ein unpassender Augenblick war.
Da sah er zu seinem Entsetzen, wie Jenny sich von ihrer Mutter losriss und wieder auf das Haus zustürmte. Dem Mann kam gleich die richtige Idee.
Jenny suchte mit Sicherheit ihren Hund, denn der war hier nirgends zu sehen. Er konnte Jenny ebenfalls nicht aufhalten, dafür war er zu weit entfernt. Aber er konnte sie zurückholen und damit ein erstes Zeichen setzen, dass er auf dem Weg zu einem vernünftigen Verhalten war.
Rasch lief er auf den ratlosen Notarzt zu, griff sich die Sauerstoffmaske mit der Patrone, die dieser gerade wegpacken wollte und lief hinter seiner Tochter her. Hinter sich hörte er einem Entsetzen Aufschrei von Kirsten.
„Alex!“
*
Für einen Augenblick standen Kirsten und Björn wie erstarrt da. Dann wollte auch Kirsten hinter den beiden her, doch der Arzt hielt sie fest. Aber jetzt kam Leben in Björn. Mit einem raschen Blick sah er eine weitere Sauerstoffmaske, ergriff diese und lief hinter Alex her.
„He, halt, bleiben Sie hier! Das dürfen Sie nicht!“
Björn würdigte ihn keiner Antwort und lief weiter. Gleich darauf wurde er von den Rauchschwaden verschluckt. Laute Rufe und auch Beschimpfungen der Feuerwehrleute über den bodenlosen Leichtsinn der beiden Männer wurden laut. Dann rüsteten sich auch zwei von ihnen aus, um den Männern, und vor allem dem Mädchen zu folgen.
Kirsten stand plötzlich da mit hängenden Schultern und Angst im Blick. Würde sie einen der drei je wiedersehen?
*
Alexander setzte noch im Laufen Maske auf, dann schimpfte er über sich selbst. Warum hatte er nicht gleich noch so ein Ding mitgenommen? Wie sollte er Jenny jetzt da herausholen, ohne dass sie zuviel Rauch schluckte? Nun gut, jetzt war es zu spät, und außerdem musste er die Kleine erst einmal finden.
„Jenny!“, rief er laut, und seine eigene Stimme klang hohl und fremd unter der Maske hervor. Keine Antwort, nur das entfernte Prasseln der zurückgedrängten Flammen.
Alex versuchte sich zu erinnern, wie der Grundriss der Wohnung gewesen war. Dann schlug er den Weg zu dem Zimmer ein, von dem er vermutete, dass es Jennys Zimmer gewesen war, dort würde vermutlich auch der Hund noch sein. Noch einmal rief er, und dieses Mal hörte er eine Antwort. Durch die dichten Rauchschwaden konnte er das helle T-Shirt sehen, das seine Tochter trug, und er eilte darauf zu.
Jenny hielt den Hund fest umklammert, der sich jedoch kaum noch rührte. Durch das rußgeschwärzte Gesicht des Mädchens zogen sich zwei helle Spuren – Tränen.
„Bist du verrückt, für den Hund dein Leben zu riskieren? Kind, wir machen uns Sorgen, komm jetzt raus hier!“
Wenn Jenny überrascht war, ihren Vater hier zu sehen, so zeigte sie es nicht.
„Aber ich musste doch Othello retten“, krächzte sie.
Alex seufzte. „Ja, ich verstehe. Na, los schon, Jenny. Nichts wie weg von ihr!“
In diesem Augenblick tauchte aus dem Rauch eine weitere Gestalt auf, Björn.
„Gott sei Dank“, rief er aus, und auch seine Stimme klang seltsam verzerrt unter der Maske.
„Was tun Sie denn hier? Muss unbedingt noch ein Verrückter sein Leben riskieren?“, fuhr Alex ihn an. „Halten Sie mich für unfähig meine eigene Tochter zu retten?“
„Ich halte Sie für unfähig sich selbst zu retten. Das war bodenloser Leichtsinn.“
„Klar, und Sie hatten Langeweile und mussten mir deswegen nachlaufen.“ Dieser Spott mochte in der augenblicklichen Situation nicht angebracht sein,
Weitere Kostenlose Bücher