Jenny und der neue Vater
ging dem Wirt auf, was sich in etwa abgespielt hatte. Und er begriff auch, dass hier einer der Männer vor saß, die mit ihrer Eifersucht und der damit verbundenen Besitzergreifung einer Frau das Leben zur Hölle machen konnten. Wahrscheinlich hatte die Frau vollkommen richtig gehandelt. Doch wer dem Mann das klar ins Gesicht sagte, würde nur Unverständnis ernten.
Der Wirt war ein Mensch mit langer Erfahrung. Unzählige Geschichten dieser oder ähnlicher Art hatte er schon gehört, und sie alle glichen sich irgendwie.
„Da haben Sie sich selbst aber ganz schön reingeritten, mein Freund“, sagte er und gab Alexander ein Bier aus. „Die Frauen sind doch alle gleich, sie verstehen uns Männer nicht. Und Sie haben das ganz falsch angefangen. Je mehr Sie Ihrer Frau erklären, dass Sie sie lieben und nur beschützen wollen, umso mehr wollen sie unabhängig sein.“
Diese Binsenweisheit hatte er schon unzählige Male von sich gegeben, und sie verfehlte auch dieses Mal ihre Wirkung nicht.
„Wenn Sie schon so schlau sind – was sollte ich dann Ihrer Meinung nach tun?“, fragte Alex mit undeutlicher Stimme.
„Na, vor allem nicht ständig hinter ihr herlaufen. Und wenn sie sich einen anderen gesucht hat, dann ruhig erst einmal abwarten. Bestimmt wird sie erkennen, was sie an Ihnen hatte.“
„Ach ja, und was mache ich, wenn sie dem anderen auch weiterhin besser findet?“
„Dann, mein Freund, haben Sie sich vermutlich so daneben benommen, dass Sie nur noch ein guter Verlierer sein können. Wünschen Sie ihr Glück und versuchen Sie Freunde zu bleiben, schon um Ihres Kindes willen.“
„Das ist doch alles Blödsinn. Ich will meine Frau zurück“, beharrte Alexander mit der Sturheit eines Betrunkenen.
„Die werden Sie auf diese Art aber nicht bekommen. Genausowenig wie noch mehr Alkohol, Sie haben genug für heute und werden morgen vermutlich ziemlich krank sein.“
„Ist mir doch egal. Dann kann Kirsten kommen und mich pflegen.“
„Ihre Kirsten wird Ihnen was pfeifen. Sie sollten dieses Kapitel abschließen und sich eine andere Frau suchen – soll ich Ihnen jetzt ein Taxi rufen?“
„Ich kann wohl nicht mehr fahren“, grollte Alexander und kramte nach seinen Autoschlüsseln.
„Nein! Sie können nicht mehr fahren.“
„Muss ein Taxi nehmen...“ Er verhielt sich relativ vernünftig, und ein Taxi brachte ihn nach Hause, wo er am nächsten Morgen mit dem fürchterlichsten Kater aller Zeiten erwachte, wie er meinte. Er duschte abwechselnd heiß und kalt, trank eine ganze Kanne schwarzen Kaffee und schluckte Aspirin. Nur langsam ging es ihm besser, und dann dachte er über den vergangenen Abend nach.
Hatte er wirklich mit einem wildfremden Menschen seine Eheprobleme diskutiert? Wie hatte er nur so verrückt sein können? Alexander versuchte sich an das Gespräch zu erinnern, doch zunächst fielen ihm nur Bruchstücke ein. Doch je länger er darüber nachdachte, umso klarer wurde seine Erinnerung.
Was hatte der Mann zu ihm gesagt? Ein guter Verlierer sollte er sein? Und die Freundschaft von Kirsten und diesem Kerl suchen, um des Kindes willen?
Ungerufen tauchte das Gesicht von Jenny vor seinem inneren Auge auf. Die großen schönen Augen, das Lächeln, das verschmitzt um ihre Lippen spielte, wenn sie sich über etwas freute. Wann hatte sich Jenny das letzte Mal über etwas gefreut, das er getan hatte? Das musste Ewigkeiten her sein. Und wann hatte er Kirsten das letzte Mal lachen gesehen, über etwas, das im Zusammenhang mit ihm stand? Auch das schien Lichtjahre entfernt zu sein.
Noch immer mit grausamen Kopfschmerzen saß Alexander am Küchentisch, schüttelte weiterhin schwarzen Kaffee in sich hinein und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Und dann traf es ihm wie ein Schlag.
Er war ein Trottel!
Er hatte Kirsten vertrieben, und er hatte das Lachen aus dem Gesicht seiner Tochter vertrieben. Wie hatte er das tun können? Er liebte sie immer noch, aber beide würden ihm kein Wort glauben. Er hatte sich schließlich wie ein Idiot benommen.
Was konnte er jetzt noch tun? Viel war es sicher nicht. Vielleicht würden Sie seine Entschuldigung akzeptieren – und seine Bereitschaft in die Scheidung einzuwilligen.
Alexander war am diesen Morgen von einer seltenen Klarheit erfüllt und wusste genau, dass er Kirsten nicht mehr zurückbekommen würde. Aber vielleicht war sie bereit, nach einiger Zeit ein freundliches Verhältnis aufzubauen. Und er musste Björn anerkennen, auch wenn es ihm schwer
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