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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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gezeigt hatte? »Immer durchziehen. Niemals zögern oder halbherzig zuschlagen. Bietet sich dir ein Überraschungsmoment, dann nutze es eiskalt aus!« Damals hätte er sich bestimmt nicht träumen lassen, dass sie diesen Rat eines Tages gegen seine eigenen Leute einsetzen würde.
    Sie sprach sich Mut zu. Viel lieber hätte sie sich in sich selbst zurückgezogen und wäre erst wieder hervorgekrochen, wenn alles vorbei war. Aber »vorbei« bedeutete in diesem Fall »tot«. Außerdem war sie schon immer eine Kämpferin gewesen. Sie würde nicht untergehen, ohne wenigstens versucht zu haben, sich zu wehren.
    Kaum hatte sie Craig zugeblinzelt, riss sie Alvaros Hand von ihrer Kehle weg und rammte sie so fest wie möglich gegen die Zarge. Der Südamerikaner schrie auf, ließ das Nicker fallen und schüttelte sein Handgelenk, während er in einer Sprache fluchte, die Lucille nicht zuordnen konnte.
    Wie ein Stier stürzte sich Craig auf Alex. Lucille dagegen wandte sich um. Sie hob ihren Arm, denn sie wollte Alvaro gegen den Kehlkopf schlagen oder ihm ihre Finger in die Augen stechen, doch eben diese Unschlüssigkeit wurde ihr zum Verhängnis, denn der Latino rammte ihren Kopf brutal gegen den Türrahmen.
    Benommen fiel Lucille in den Raum hinein. Irgendetwas stach in ihre Hüfte, doch sie schenkte dem keine Beachtung, weil ihr Kopf zu explodieren drohte. Stöhnend rappelte sie sich auf, als sie hörte, wie jemand in die Vitrine gegenüber des Tisches knallte. War es etwa Craig?
    Das Glas ging zu Bruch. Alex riss einige Einlegeböden samt der Kristallgläser mit sich, als er zu Boden ging. Wütend stapfte Craig auf ihn zu, zerrte ihn auf die Füße und wollte ihm gerade einen Schlag verpassen, als Alex sich rechtzeitig wegduckte und ihn auf sich zuzog. Craig krachte in die Vitrine. Glücklicherweise hatte er schützend seine Arme vor sein Gesicht gehoben, doch seine Unterarme waren zerkratzt, und Blut lief hinab, als er zurücktaumelte.
    Lucille wurde übel vor Kopfweh. Das schmerzhafte Pochen trübte sogar für einen Augenblick ihre Sehkraft. Träge rappelte sie sich auf. Sie stützte sich ab, dabei bohrte sich etwas in ihre Handfläche. Als ihr klar wurde, was da unter ihr lag, beschleunigte sich ihr Puls.
    Sie griff die Browning, wandte sich um und richtete sie auf Alvaro, der Alex gerade zurief: »Mach ihn endlich fertig und lass uns verschwinden.«
    Im nächsten Moment bemerkte er die Pistole. Zorn blitzte in seinen Augen auf.
    Alex, der einen Stuhl nahm, um Craig auf Distanz zu halten, lachte abschätzig. »Die trifft nicht einmal, wenn sie dir die Mündung auf die Stirn drückt. Sie zittert immer noch genauso stark wie gestern.«
    Lucille wurde klar, dass er die Schießerei im Coffeeshop beobachtet haben musste. Tatsächlich konnte sie die Schusswaffe nicht ruhig halten, egal wie sehr sie sich bemühte, noch nicht einmal, als sie ihre rechte Hand mit der linken stützte. Immerhin stand Alvaro näher als Caruso am gestrigen Tag. Das bedeutete aber auch, dass er schneller bei ihr sein konnte, um sie zu überwältigen.
    »Du bist eine Null, Täubchen, hast ja nicht einmal gewusst, wen du geheiratet hast.« Er wankte, als hätte er auf sie zukommen wollen, es sich im letzten Moment jedoch anders überlegt, da Lucille die Browning auf seinen Hosenschlitz richtete.
    »Das hatten wir doch schon mal«, knurrte er, und sein Lächeln wirkte bemüht. »Es ist aus, ihr seid erledigt. Wenn du brav bist und mir die Knarre gibst, werde ich dich zuerst töten und dann erst Bellamy, damit du nicht mit anschauen musst, wie wir ihm zuerst alle Knochen im Leib brechen und dann hinrichten.«
    Dann machte Alvaro drei Fehler gleichzeitig. Er bewegte sich auf sie zu und unterschätzte sowohl die Distanz als auch sie selbst. Lucilles Körper bebte zwar immer noch, aber nicht mehr ganz so heftig, weil eine Stinkwut ihr Kraft schenkte. Ihr Schuss traf! Es war fast unmöglich gewesen, ihn nicht zu treffen. Wahrscheinlich war er davon ausgegangen, dass die Todesangst sie lähmen würde, aber das Gegenteil war der Fall gewesen – sie hatte Lucille über sich hinauswachsen lassen.
    Während er seinen linken Oberschenkel hielt, verzerrte sich seine Miene. Er presste seine Lippen aufeinander und schloss kurz seine Augen. Doch er brach keineswegs zusammen, sondern humpelte umso wütender weiter auf sie zu. Schweiß perlte von seinen Schläfen.
    Panisch schoss Lucille ein zweites Mal und streckte Alvaro nieder. Nun klaffte auch in seinem rechten

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