Jenseits aller Tabus
Möglichkeit, einen friedfertigen Weg aus dieser gefährlichen Situation zu finden. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie es in Erwägung gezogen, dass sich McCarthy vom Drogenkartell hatte kaufen lassen, weil er sich nicht gerade als hilfsbereit erwies. Nun erkannte sie, dass sie sich von Alex’ aufgesetzter Freundlichkeit hatte täuschen lassen.
Fassungslosigkeit lähmte ihre Glieder. »Du gehörst zur La picadura del escorpión.«
Flapsig hob Alex seine Schultern und ließ sie abrupt fallen, wie ein trotziges Kind, das etwas angestellt hatte und keine Einsicht zeigte. »Jeder muss gucken, wo er bleibt. Ich will nicht ewig fürs Bureau arbeiten und so verbittert werden und früh sterben wie der alte Tadhg und wie Teddy.«
»Was wissen Sie über meinen Vater?«, fuhr Craig ihn an. Von einer Sekunde zur anderen brach seine Selbstbeherrschung zusammen.
»Ich habe nie mit ihm zusammengearbeitet. Er war sowieso ein Außenseiter, seit getuschelt wurde, er würde heimlich in den eigenen Reihen ermitteln.« Provokativ kratzte sich Alex mit der Mündung an der Nase, nahm jedoch sofort wieder Craig ins Visier, als dieser auch nur mit dem Mundwinkel zuckte.
»Ted Bellamy war auf einen Maulwurf angesetzt?« Für Lucille lag es auf der Hand, dass er sich damit bei seinen Kollegen nicht gerade beliebt gemacht hatte, als diese Information durchgesickert war.
»Neben seinen eigentlichen Ermittlungen.« Alex nickte. »Ausgerechnet bei seinem Sohn musste McCarthy dich unterbringen. Ich hätte ihn umbringen können!«
»Hast du?«, fragte Lucille, die sich allzu gut erinnerte, dass die Schüsse im Bayshore Coffeeshop aus der Richtung gekommen waren, in die er gegangen war.
»Nachdem Alvaro es nicht geschafft hatte, dich zu erledigen, weder in deinem Apartment in Manatee noch in Downtown, wollte Caruso das selbst übernehmen und versagte genauso erbärmlich.« Abfällig schnalzte er. »Jetzt muss ich die Scheiße übernehmen.«
Flehentlich faltete sie ihre Hände. »Aber du bist kein Killer.«
»Nein, Täubchen, aber ich muss zu einem werden, wenn ich McCarthy nicht folgen will.«
»Du musst das nicht tun.« Ihre Augen wurden feucht.
»Fang bloß nicht an zu jammern, Lucille. Du warst von Anfang an dem Tode geweiht, aber jetzt trägst du die Schuld, dass auch dein Liebster ins Gras beißen wird. Dieses Anwesen ist besser geschützt als das J. Edgar Hoover Building.« Mit der Waffe zeigte er auf Craig. »Ich habe diesem reichen Arschloch das Foto geschickt, das ich von dir und McCarthy geschossen hatte, damit er dich zerfressen vor Eifersucht auf die Straße setzt und das Kartell dich endlich schnappen kann, weil du die Villa so selten verlässt wie eine Sultansgeliebte ihren Harem. Aber er ist scheinbar so verknallt in dich, dass er dir alles verzeiht.«
Craigs Brustkorb hob und senkte sich, als er tief durchatmete. »Mein Dad hat das Grundstück und die Villa nach FBI-Standards gesichert.«
»Und Sie in seiner Freizeit wie einen Bundesagenten trainiert, ich weiß alles über Sie.« Alex machte eine wegwerfende Geste. »Es existiert eine Akte.«
Craig riss seine Augen auf und ballte seine Hände zu Fäusten, was Lucille vermuten ließ, dass er nichts davon gewusst hatte. »Sie sind der Maulwurf, habe ich recht?«
Erstaunt öffnete Alex seinen Mund, dann lachte er freudlos. »Daddy kam mir zu nah. Ich stand kurz davor, aufzufliegen, deshalb habe ich meine Freunde gebeten, das Problem für mich zu lösen.«
Wütend machte Craig einen Schritt auf ihn zu. Mehr tat er nicht, weil Alex mit der Pistole wild vor seinem Gesicht herumfuchtelte.
Lucilles Herz blieb fast stehen. Alex Fisher hatte Ted Bellamy auf dem Gewissen. Auch wenn er nicht eigenhändig die Jacht, auf der Craigs Vater seinen Urlaub verbrachte, in die Luft gejagt hatte, so hatte er doch den Auftrag dazu erteilt. Eine Hand wusch die andere. Das Kartell hatte Bellamy für ihn beseitigt, dafür musste Alex nun Lucille aus dem Weg räumen. Für Craig war es lediglich Pech, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein, ein Kollateralschaden, den Verbrecher wie Dawson, Caruso und die La picadura del escorpión großzügig in Kauf nahmen.
Aber Lucille schätzte Alex nicht so skrupellos ein wie diese Kriminellen. Er mochte noch so selbstgefällig grinsen, sein Blick glich dem eines verletzten Tieres, und verletzte Tiere waren am gefährlichsten. Der Agent war jung, gierig und naiv, deshalb hatte er sich mit den falschen Partnern eingelassen und würde nun den
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