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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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gebügelt. Ihre rechte Schulter tat weh, ebenso ihr Rücken. Während sie die Treppe herunterstieg, reckte sie sich, um ihre Muskulatur zu lockern. »So früh?«
    »Mr Bellamy wünscht sein Dinner um halb acht.« Entschuldigend zuckte Ava mit den Achseln. »Wir müssen seine Speisen noch zubereiten und servieren, uns bleibt keine andere Möglichkeit, als schon am späten Nachmittag zu essen.«
    Tatsächlich verspürte Lucille Hunger. Mittags hatte sie kaum etwas herunterbekommen, weil die Situation sie mehr belastete, als sie erwartet hatte. Nie konnte sie sein, wer sie wirklich war. Stets musste sie Rollen spielen, um zu überleben. Mal die einer Kellnerin, mal die einer reichen Ehefrau und jetzt die eines Hausmädchens. Wann durfte sie endlich Lucille-dann-wieder-Blunt sein, die selbstständige Landschaftsgärtnerin?
    Lucille trat hinter Ava in den Aufenthaltsraum, der gleich neben der Küche lag. Die meisten Angestellten saßen bereits an der Tafel, aßen und unterhielten sich. Niemand beachtete sie.
    Enttäuscht über das offensichtliche Desinteresse, das ihr entgegenschlug, folgte sie Ava in die Küche. Madison und Taylor, ebenfalls Dienstmädchen, musterten sie vom Kopf bis zu den Sandaletten und kicherten. Absichtlich drehten sie Lucille und Ava ihre Rücken zu. Während Madisons braune Haare ihr bis zum Hintern reichten und kunstvoll zu einem dicken Zopf geflochten waren, hatte Taylor, deren Teint fast so schwarz wie ihr Schopf war, vier eingerollte Strähnen aufwendig am Hinterkopf hochgesteckt.
    Schon beim Mittagessen war Lucille aufgefallen, dass Ava ausgegrenzt wurde. Man bezog sie nicht in Gespräche ein, setzte sich mit einigem Abstand neben sie und tuschelte. Florida schien der Staat der schönen Menschen zu sein. French Manicure, Wespentaille und operierte Brüste waren Normalität. Trotz der Hitze saß das Make-up des weiblichen Personals perfekt, und selbst die männlichen Angestellten kamen an keinem Spiegel vorbei, ohne sich kurz darin zu betrachten. Als würden sie alle in bonbonfarbenen Hochglanzserien wie »Nip/Tuck« mitspielen.
    Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute sich Lucille im Aufenthaltsraum um. Für ihren Geschmack sahen sie alle zu aalglatt aus. Hübsche Marionetten, die Craig Bellamy lenkte.
    Lucille und Ava fielen aus diesem Raster. Was mochte ihn dazu bewegt haben, sie einzustellen? Mitleid?
    Plötzlich fragte sich Lucille, weshalb das FBI ihr ausgerechnet in seiner Villa einen Job besorgt hatte. Die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums mochte sich in ihrem Namen bei ihm beworben haben; eine gefälschte Bewerbung war für sie genauso einfach herzustellen wie Ausweise und Flugtickets. Aber wer stellte schon jemanden ein, ohne ein Bewerbungsgespräch geführt zu haben? Oder suchte gar nicht Bellamy persönlich, sondern Patrick das Personal aus? Das war unmöglich, denn der Butler hätte ihr niemals einen Job angeboten. Wie sie es drehte und wendete, es blieb ein Rätsel, wie es zu ihrer Einstellung gekommen war.
    Ich muss auf der Hut bleiben, dachte Lucille und wollte gerade einen Teller nehmen, als der Hausvorsteher sich dazwischenschob. »Sie werden erst essen, nachdem Sie Mr Bellamy den Fünfuhrtee serviert haben.«
    Empört flog Madison herum. »Das mache ich doch immer. Ich habe schon alles vorbereitet.« Sie trat beiseite und zeigte auf das Tablett, das hinter ihr auf der Arbeitsfläche stand. Es war bestückt mit einer Teekanne, einem Kännchen, zwei Schalen, einem Korb mit Brötchen, zwei Tellern und Messern.
    Lucille redete sich ein, dass es ihr egal wäre, wer servierte. Craig Bellamy zu bedienen stand wahrlich nicht weit oben auf ihrer Wunschliste, eigentlich stand dieser Punkt gar nicht darauf. Aber da war ein unbestimmter Drang in ihr, Madisons Aufgabe zu übernehmen. Lucille konnte ihn nicht deuten. Wahrscheinlich wollte sie dieser Schnepfe nur eins auswischen. Ja, das musste es sein. Mit Bellamy konnte das nichts zu tun haben!
    »Der Hausherr wünscht es so, also wird es auch so gemacht.« Dann wandte sich Patrick an Lucille. »Er will sehen, wie Sie sich im Service machen.«
    Er seufzte theatralisch, als hegte er wenig Hoffnung, dass dieses Experiment nicht in einem Desaster enden würde, nahm ein Sandwich und verließ die Küche.
    Würde er sich nicht bewegen, könnte man ihn aufgrund seiner Blässe für eine Figur aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett halten, dachte Lucille schmunzelnd. Ihr Grinsen jedoch wurde von Madison missverstanden,

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