Jenseits aller Tabus
Hoffnung zu verlieren, irgendwann doch noch glücklich zu werden.
»Dann geh deiner Arbeit nach. Spiel deine Rolle, die der Kirby Lamar. Ich kümmere mich um den Rest«, sagte er und tätschelte aufmunternd ihr Knie.
Zögerlich nickte Lucille. Bei Alex war sie in guten Händen. Er würde sie im Auge behalten und Informationen über die Beziehung zwischen Caruso und Bellamy einholen.
Trotz aller Vernunft ertappte sie sich dabei, wie sie erleichtert aufatmete. Sie würde Craig wiedersehen. Noch mehr als das. Sie würde intim mit ihm werden.
Das Verlangen nach ihm flammte erneut auf. Es war unklug, sie spielte mit dem Feuer, aber die Aussicht auf den morgigen Tag ließ einen Sturm der Erregung durch ihren Körper branden. Das war leichtsinnig. Gefährlich! Doch Craig zog sie an, und Alex riet ihr, die Farce weiter mitzuspielen. Daher würde sie ihren Dienst um drei Uhr nachmittags antreten.
Aber nicht nur Alex würde Nachforschungen anstellen, sondern auch sie. Lucille hatte keine Lust, als Spielball zwischen dem FBI und der La picadura del escorpión zu enden. Daher musste sie selbst aktiv werden. Sie wusste nicht, wie seine Kollegen dazu standen – offiziell waren sie die Guten, doch wie sah das hinter den Kulissen aus? –, aber sie war sich sicher, dass McCarthy sie opfern würde, um das Drogenkartell zu zerschlagen.
Wie auch immer die Wahrheit aussah, Jack Caruso war keinesfalls rein zufällig in der Bellamy-Villa vorbeigekommen. Lucille hoffte nur, dass Craig unschuldig war und nichts von Carusos illegalen Machenschaften wusste.
»Im Zweifel für den Angeklagten, heißt es doch«, murmelte sie und fand, dass Richard recht hatte – manchmal war sie töricht, besonders was Männer betraf.
15. KAPITEL
Als Lucille am nächsten Tag ihre Schicht begann, war die Villa bei ihrer Ankunft verwaist. Gut für ihren Plan, sich ein wenig genauer umzuschauen. Patrick hatte ihr an ihrem ersten Arbeitstag alle Räume gezeigt, bis auf zwei – das Gewächshaus und den Schutzkeller. Das Treibhaus war strikte Chefsache. Traf das auch auf den Tornadobunker zu?
Erst in der Küche begegnete sie einer weiteren Angestellten, die das Pech hatte, am Wochenende arbeiten zu müssen. Taylors Gesicht wurde noch sauertöpfischer, als sie Lucille eintreten sah. Ihre Mundwinkel zogen sich weiter nach unten. Der goldene Lippenstift auf ihren vollen braunen Lippen glitzerte wie Goldstaub.
»Bereitest du das Abendessen vor?« Lucille blieb vor dem Arbeitsblock, der in der Mitte der Küche stand, stehen, beobachtete, wie Taylor das Messer immer wieder in eine Zwiebel stieß, als wollte sie diese meucheln, und fragte sich, wie lange die farbige Schönheit brauchte, um so perfekt auszusehen. Sie selbst war zu faul, um solch einen Aufwand zu betreiben, und benutzte nur Wimperntusche und Rouge. Lediglich während der Ehe mit Richard hatte sie einiges an Make-up und Stylings ausprobiert, war sich am Ende aber zu künstlich vorgekommen und zu ihrem natürlichen Look zurückgekehrt. In diesem Moment jedoch kam sie sich unzulänglich vor und band wenigstens ihren Zopf neu, denn in der Fensterscheibe hinter Taylor sah sie ihr Spiegelbild; einige Haarsträhnen hatten sich gelöst, und sie sah aus wie ein zerrupftes Huhn.
Taylors pechschwarze Haare dagegen schmiegten sich in sanften Wellen an ihren Kopf wie die Frisur einer Hollywood-Diva aus den Sechzigerjahren. »Carson hat frei.«
Betont beiläufig fragte Lucille: »Sind wir beide heute neben dem Wachpersonal die Einzigen, die die Stellung halten?«
»Patrick ist natürlich da«, antwortete Taylor, ohne aufzuschauen. Sie wischte sich eine Träne ab, die ihre Wange hinablief. Ihre Wimperntusche und ihr Kajal zerliefen nicht, nicht einmal ihr bronzefarbenes Rouge verwischte. Ihr ebenes Gesicht wirkte wie in Stein gemeißelt. »Er ist immer da.«
Das passte Lucille gar nicht. Patrick steckte seine Nase in alles, er hatte seine Augen überall. »Gönnt er sich nie einen freien Tag?«
Abschätzig musterte Taylor sie von oben bis unten. »Er wohnt hier.«
»Wie bitte?« Wollte Taylor sie auf den Arm nehmen?
»Bellamy hat seinen Meditationsraum für ihn geopfert und in eine Suite umbauen lassen. Patrick haust im Keller ohne Fenster, wie ein Freak.« Sie wischte sich die Hände an der Kochjacke ab, nahm eine Schüssel und ließ beim Verlassen der Küche fallen: »Daher wundert es mich, dass ihr beiden euch nicht versteht.« Hinter ihr fiel die Tür zu.
»Schnepfe«, zischte Lucille und
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