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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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schloss ihre Hand fest um den Gegenstand in ihrer Tasche.
    Sie ging zum Fenster und schaute hinaus auf den Rasen. Dass sich Patrick im Haus aufhielt, machte ihr Vorhaben nicht gerade einfacher. Immerhin würde Taylor um sechs Uhr Feierabend machen, dann wäre Lucille die einzige Hausangestellte, die Craig an diesem Samstagabend zur Verfügung stand.
    Bei der Vorstellung prickelte es sanft zwischen ihren Schenkeln. Was plante er mit ihr? Welchen Liebesdienst würde er von ihr verlangen?
    Allein waren sie dennoch nicht. Der Hausvorsteher schien zum Inventar zu gehören. Bestand Craig darauf, seinen Butler immer in seiner Nähe zu haben? Wieso bewohnte Patrick nicht eins der Zimmer im Obergeschoss?
    Dieser Haushalt ist wirklich seltsam, dachte sie und überlegte, ob sie zuerst das Treibhaus oder den Schutzbunker untersuchen sollte. Das Gewächshaus mit den kunstvoll geschwungenen Säulen an seinen acht Ecken, die ein gläsernes Kuppeldach trugen, erinnerte an den Lustpavillon eines europäischen Herrenhauses. Durch die Glaswände konnte man Tische mit Pflanzen sehen, als würde sich der Garten im Inneren fortsetzen. Ein wunderschönes Gebäude!
    Weshalb hatte Craig die eiserne Regel aufgestellt, dass niemand das Oktogon betreten durfte außer ihm? Was versteckte er dort? Das Verbot weckte ihre Neugier umso mehr.
    Doch er hatte mit Caruso am Abend zuvor nicht gemeinsam das Treibhaus, sondern den Bunker aufgesucht. Deshalb beschloss sie, sich zuerst dort umzusehen.
    Leise öffnete sie die Tür, die von der Küche in den Garten hinausführte. Sie spähte in alle Richtungen. Da niemand zu sehen war, schlüpfte sie hinaus und schloss die Tür nahezu lautlos hinter sich.
    Lucille schlenderte ein Stück vom Haus weg, drehte sich um, als würde sie einem vorbeifliegenden Vogel hinterherschauen, und ließ ihren Blick über die Rückfront der Villa gleiten. Alles war ruhig, niemand stand an einem der Fenster. Sie musste sich beeilen und im Tornadokeller verschwunden sein, bevor Taylor in die Küche zurückkehrte.
    Trotz des zunehmenden Aufruhrs in ihrem Inneren ging sie gemächlich über den Rasen, prüfte ein zweites Mal die Fenster und zog schließlich mit beiden Händen die Metallluke im Rasen hoch, um blitzschnell in den Schutzbunker hinabzusteigen.
    Rasch zog sie die Luke hinter sich zu, Dunkelheit umgab sie.
    Lucille holte die Taschenlampe, die sie mitgebracht hatte, hervor und schaltete sie ein. Sie stand auf der untersten Stufe einer betonierten Treppe. Hier unten war es mucksmäuschenstill. Das einzige Geräusch war das Rauschen in ihren Ohren. Ihr Herz pochte aufgeregt, weshalb sie tief durchatmete, um sich zu beruhigen.
    Neugierig sah sie sich um. Der Bunker war größer, als sie erwartet hatte. Es gab einen kleinen Gang, von dem drei Räume abzweigten. Lucille leuchtete in das Zimmer am Ende. Im Lichtkegel der Lampe machte sie scharlachrote Sitzkissen aus, die auf einer betonierten Bank lagen. Das musste der Aufenthaltsraum sein.
    Langsam ging sie voran.
    Offensichtlich war der Bunker nicht nur darauf ausgerichtet, für die im Vergleich recht kurze Zeit eines Tornados Schutz zu bieten, sondern auch für längere Aufenthalte, beispielsweise bei einem Atomangriff. Das Zimmerchen zu ihrer Rechten entpuppte sich als WC, das zu ihrer Linken als Vorratskammer. Bestens bestückt, wie Lucille feststellte, als sie die Schränke einen nach dem anderen öffnete – neben Lebensmitteln auch mit Pistolen, Gewehren, Handgranaten und sogar einer modernen Armbrust.
    Entsetzt erstarrte Lucille. Waffen waren für sie ein rotes Tuch, nicht erst, seitdem sie erfahren hatte, dass sie mit dem Händler des Todes liiert gewesen war, denn Waffen töteten Menschen. Craig besaß gleich ein ganzes Arsenal davon. Nicht in seinem Haus, wo seine Angestellten es mitbekamen, sondern versteckt in diesem Keller, den selten jemand betrat.
    Vielleicht besaß er sie nur zum Schutz vor Plünderern. Sollte ein Tornado sein Haus beschädigen, würden Einbrecher wie Fliegen über seine Villa herfallen und alles stehlen, was nicht niet- und nagelfest war und was der Wirbelsturm übrig gelassen hatte, das hatten die Hurrikane Andrew und Katrina gezeigt.
    Aber Handgranaten? Diese kaufte man nur aus einem einzigen Grund: um zu zerstören.
    Außerdem war Craigs Rüst- beziehungsweise Waffenkammer so umfangreich, dass er eine kleine Privatarmee damit bestücken könnte.
    Plötzlich flackerte das Deckenlicht auf und tauchte schließlich den Bunker in grelles Licht.

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