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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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Wohnungsschlüssel, dass es schmerzte. Der inszenierte Diebstahl war eine schreiende Ungerechtigkeit! Sie durfte sich das nicht gefallen lassen. Hatte sie nicht ihr Leben lang gekämpft? »Ich darf jetzt nicht aufgeben!«
    Lucille betrat den Apartmentkomplex, in der ihr kleines Refugium lag, und stieg die Stufen hoch. Noch nie war es ihr so schwergefallen, die zwei Treppen zu erklimmen, die ins oberste Geschoss des Hauses führten. Sie schwitzte, hätte heulen und gleichzeitig toben können. Die Achterbahn ihrer Gefühle kostete sie viel Kraft. Mühsam schloss sie ihre Wohnungstür auf, trat ein und blieb in der kleinen Diele stehen. Sie fuhr sich übers Gesicht. Es war stickig in ihrem Domizil.
    Als sie sich umwandte, um die Klimaanlage, deren Bedienfeld neben dem Eingang an der Wand hing, einzuschalten, erschrak sie fast zu Tode.
    Ein Fremder stand in der Küche und starrte sie an.
    Der Südamerikaner hatte eine Hand auf sein anthrazitfarbenes Jackett gelegt, als wollte er jeden Moment eine Pistole aus einem verborgenen Schulterholster ziehen. Lucille kannte diese Geste, sie hatte sie oft genug bei McCarthy gesehen. Hatte Philipp nicht einfach nur mit ihr plaudern, sondern sie auf den Besucher hinweisen wollen?
    Der Latino stand wie festgewachsen zwischen Esstisch und Küchenzeile. Sein Blick hatte etwas Bohrendes, das Lucille beunruhigte. Schweigend taxierte er sie, als würde er abschätzen, ob sie eine Bedrohung für ihn darstellte oder nicht, dann sah er zur Wohnungstür, die immer noch offen stand.
    Dadurch erwachte Lucille aus ihrer Betäubung. Sie musste fliehen. Sofort!
    Nun beweg dich schon, schrie sie sich selbst in Gedanken an, denn ihre Füße fühlten sich noch immer vor Schreck schwer wie Blei an. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und stach sich mit ihren Fingernägeln in die Handballen. Der Schmerz raste wie ein elektrischer Impuls durch ihren Körper. Endlich schaffte sie es, sich zum Ausgang zu drehen.
    Doch bevor sie aus dem Apartment flüchten konnte, richtete der Fremde das Wort an sie: »Bleiben Sie bitte, Mrs Dawson.«
    Er kannte ihren wahren Namen! Sie zögerte, runzelte ihre Stirn und bemerkte, dass auch er aus seiner Starre erwacht war. Er wirkte verschlagen. Lag das an seiner angespannten Haltung? Oder an seinen kleinen dunklen Augen, die man eher im Gesicht eines Keilers vermutet hätte? Aber McCarthy sah auch aus wie ein Frettchen und gehörte zu den Guten. Oder so ähnlich, dachte sie zerknirscht.
    Lächelnd schob er seine Hände in die Hosentaschen. »Entschuldigen Sie den Überfall. Alex Fisher schickt mich, um nach dem Rechten zu sehen. Auch Bundesagenten haben mal einen Tag frei.«
    Er kam auf sie zu und streckte ihr seine rechte Hand entgegen, doch Lucille wich zurück, worauf der Mann stehen blieb. Noch immer trennten sie drei Schritte.
    Sein Lächeln erstarb, er senkte seine Hand. »Verzeihen Sie meine Manieren. Ich habe mich nicht einmal vorgestellt. Special Agent Alvaro Castillo.«
    »Ich möchte Ihren FBI-Ausweis sehen«, forderte Lucille mit belegter Stimme.
    Klack! Klack! Klack! Eine Frau stolzierte in High Heels über den Flur. Sollte Lucille um Hilfe schreien? Klack! Klack! Aber was, wenn tatsächlich die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums diesen Fremden geschickt hatte? Klack! Immerhin kam er ihr irgendwie bekannt vor. Im Treppenhaus blieb es ruhig, Lucille hatte ihre Chance verpasst.
    Während Castillo seine Hand langsam unter sein Jackett schob, als wollte er verhindern, dass sie glaubte, er würde eine Waffe ziehen, versteifte sich Lucille. Alarmiert verfolgte sie jede seiner Bewegungen und atmetet beruhigt aus, als er tatsächlich nur eine kleine schwarze Lederhülle hervorholte.
    Castillo machte einen weiteren Schritt auf sie zu, klappte das Mäppchen auf und hielt seinen Ausweis hoch. Seine Kleidung roch nach Zigarettenrauch oder etwas Stärkerem.
    Soweit Lucille das beurteilen konnte, sah die ID-Card echt aus. Die drei Buchstaben des FBIs standen in großen blauen Lettern darauf, darüber der Schriftzug »Department of Investigation«, und rechts davon zeigte ein Foto das Konterfei von Castillo. Allerdings konnte man das alles fälschen, selbst den Stempel des Bundesamts für Ermittlung auf der linken Seite. Für den Moment musste Lucille dem Mann Glauben schenken, aber ihre Zweifel blieben. Wieso hatte Alex ihr nicht Bescheid gesagt?
    Während er das Mäppchen wieder einsteckte, betrachtete sie ihn genauer. Er trug sein Haar kurz

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