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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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dich beeilen. Es herrscht ziemlich dicke Luft.«
    Weil eine Ahnung in Lucille erwachte, nahm sie sich nicht einmal mehr die Zeit, ihre Handtasche in den Spind zu stellen. Vermutlich stand er offen, da sie gar keinen mehr hatte, und Craig würde gleich die Kündigung aussprechen. Den Grund jedoch konnte sie sich nicht vorstellen.
    Während sie den Raum verließ, an Ava vorbeiging, die beide Hände mit gedrückten Daumen hochhielt, und den Korridor entlangschritt, bemühte sie sich, Haltung zu bewahren. Innerlich brodelte es in Lucille, ihre Gefühle fuhren Achterbahn, und sie dachte krampfhaft darüber nach, was geschehen sein könnte. Nichts Gutes, das war klar. Patrick bedeutete immer Ärger.
    Sie musste an Nate vorbei, der sich in arroganter Lässigkeit gegen die Wand lehnte und seine Arme verschränkte. Am liebsten hätte sie ihm ihre Handtasche über den Kopf gezogen und das fiese Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Stattdessen hob sie ihr Kinn etwas höher und setzte eine kühle Miene auf.
    Madison, die mit einem Staubwedel die Ecken im Wohnzimmer abstaubte, zeigte sich an der Tür, und lächelte abfällig. Sie warf Nate einen selbstzufriedenen Blick zu, und Lucille fragte sich, ob die beiden wussten, was vor sich ging.
    Vor dem Büro atmete Lucille tief durch. Dann hob sie die Hand, um zu klopfen, doch bevor ihre Fingerknöchel die Tür berührten, wurde diese von innen aufgerissen.
    »Das sind Sie ja endlich, Kirby.« Hektische Flecken zierten Patricks Hals. Er wischte sich mit einem Stofftaschentuch über seine glänzende Stirn, die durch den Schweißfilm noch wächserner aussah. »Kommen Sie rein, nun kommen Sie doch schon.«
    So aufgelöst hatte Lucille den Hausvorsteher noch nie erlebt. Normalerweise zeichnete sich der Butler durch ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Contenance aus. Unsicher trat sie ein. Craig stand mit dem Rücken zu ihr und schaute aus dem Fenster.
    Als Patrick die Tür hinter ihr schloss, fühlte sich Lucille wie ein Tier in einem Käfig. Ihr war unwohl, sie legte ihre Handtasche auf einen der beiden Stühle vor dem Schreibtisch, nahm jedoch nicht Platz, sondern schlang die Arme um ihren Körper. Unruhig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
    Erst als sich Patrick neben den Tisch stellte und Lucille seinem Blick folgte, bemerkte sie den Schmuck, der ausgebreitet auf einer weißen Stoffserviette lag. Vor lauter Aufregung hatte sie ihn übersehen. Überrascht hob sie ihre Augenbrauen, sogleich erwachte eine Befürchtung in ihr, und sie schaute den Butler mit wachsendem Entsetzen an, brachte jedoch keinen Ton heraus. Ihr Mund war trocken wie Knäckebrot.
    »Ms Kirby Lamar ist da, Sir«, kündigte Patrick sie an, als ob Craig ihre Anwesenheit nicht mitbekommen hätte.
    Endlich wandte sich Craig zu ihr um, doch seine Bewegung wirkte so schwerfällig, als würde er eine zentnerschwere Last auf seinen Schultern tragen. Eine Weile musterte er sie schweigend.
    Das Warten steigerte ihre Nervosität. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm, die Stille vor dem Donnerwetter.
    Aber Craig schrie sie nicht an, sondern sprach ruhig zu ihr, was Lucille als viel bedrohlicher empfand. »Wie kommt der Schmuck meiner Mutter Mildred in Ihren Personalschrank, Kirby? Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    Lucille fehlten die Worte. Stumm schüttelte sie den Kopf.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, eine einzige.« Hektisch tupfte sich Patrick den Schweißfilm von der Oberlippe. »Diebstahl!«
    »Nein, nein …«, flüsterte Lucille kraftlos. Sie verstand die Welt nicht mehr. »Ich habe nichts gestohlen.«
    »Wenn das so ist, wie kann es aber sein, dass die Kostbarkeiten in Ihrem …«, Patrick wiederholte das letzte Wort, um es somit zu betonen, »Ihrem Spind lagen?«
    Für Lucille gab es nur eine einzige Möglichkeit. »Jemand muss die Wertstücke dort reingelegt haben.«
    »Ein Geist«, machte sich Patrick über sie lustig und wedelte mit dem Taschentuch herum. »Hier muss es neuerdings spuken. Wir sollten einen Exorzisten engagieren.«
    »Mit Sarkasmus ist niemandem gedient«, tadelte Craig ihn. »Die Angelegenheit ist zu ernst. Alles, was mir von meiner Mutter geblieben ist, bedeutet mir viel, sehr viel. Ich zahle überdurchschnittlich gut und behandele meine Angestellten fair. Dieser Diebstahl enttäuscht mich bitter, er ist ein Vertrauensbruch, der schmerzt und unverzeihlich ist, egal wie dramatisch Ihre Begründung klingen mag.«
    Lucille schnappte nach Luft. »Aber ich habe nichts

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