Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
wäre. Wenn die wü ss ten, wie egal mir das ist, dachte Lydia trotzig.
    Sie log sich etwas vor. Ihr Herz wog einen Zentner, seit Ross sie vor den Huren lächerlich gemacht hatte.
    »Bitte setzt Euch doch, Winston«, sagte sie mit einem erzwungenen Lächeln. »Möchtet Ihr einen Kaffee?«
    »Ja, danke.«
    Nach dem ersten Schluck begann er: »Offensichtlich habt Ihr keine Schwierigkeiten beim Lesen, oder seid Ihr zu stolz, um zu fragen?«
    Sie lächelte. »Ich erinnere mich an mehr, als ich dachte. Und wenn ich einmal steckenbleibe, kann Ross...« Sie verstummte plötzlich bei seinem Namen. Mit leerem Blick ins Feuer fragte sie sich, ob er eine jener Frauen so kü ss te, wie er sie gestern gekü ss t hatte. »Ross hilft mir. Er kann lesen«, fuhr sie tapfer fort.
    »Was für ein Glück für Euch beide«, bemerkte Winston ruhig. Er wünschte, er hätte die Kraft, den Mann zum Kampf zu fordern, der schuld an dem verzweifelten Ausdruck auf ihrem Gesicht war. Doch eigentlich ging ihn das nichts an. Und dennoch: Was dachte sich der Mann eigentlich, sie vor dem ganzen Wagenzug so zu beleidigen? Man mü ss te ihn auspeitschen. »Schläft Lee schon?« erkundigte er sich.
    Durch den Themawechsel hob sie den Kopf, und ihr Gesicht wurde lebhafter. »Er ist ein kleiner Engel, schläft jeden Abend gleich nach seiner letzten Flasche ein, die ganze Nacht durch, wacht dann aber früh wieder auf.«
    »Ein Prachtexemplar.«
    »Ja, wirklich. Manchmal vergesse ich ganz, dass er gar nicht mein Kind ist.«
    Das war ihr ungewollt herausgerutscht. Winston sah das sofort und stand auf. »Vielen Dank für den Kaffee«, sagte er und stellte die Tasse weg. »Wie Lee müssen wir alle morgen früh aufstehen.«
    Wo Ross wohl am nächsten Morgen sein würde? fragte sich Lydia. »Richtig.«
    »Braucht Ihr Hilfe beim Feuer?«
    »Nein«, wehrte sie ab. Sie hatte immer noch die Hoffnung, dass Ross in der Nacht zurückkäme. »Ich kann es selbst eindämmen. Aber ich möchte noch eine Weile lesen.«
    Winston hob ihre Hand an die Lippen und kü ss te sie weich. »Gute Nacht, schöne Lydia.«
    Dann verschwand er in der Dunkelheit, und Lydia wartete allein weiter.
     
    Es war genau so ein Etablissement, wie er es früher immer besucht hatte, und schon bevor er hineinging, wusste er, dass es nur Schwierigkeiten bringen würde. Trotzdem tat er es in dem ungereimten Drang, sich zu bestrafen. Die »Damen« gingen ihm schon bald auf die Nerven. Sie kicherten und stupsten ihn immer wieder vieldeutig, was seine Lust jedoch eher beeinträchtigte, anstatt sie anzufachen. Er dachte an Lydia und die Art, in der sie mutig ihm und den Frauen gegenübergetreten war, die unmi ss verständlich die Absicht hatten, ihren Mann zu verführen.
    Im Kampf gegen Schuldgefühle und Unzufriedenheit betrat Ross den lärmenden Saloon. Es stank nach Rauch, abgestandenem Bier und ungewaschenen Leibern. Die rote Tapete war schon lange abgeblättert, und dem nackten Mädchen, das auf dem miserablen Porträt über dem Tresen hing, hatte jemand die Augen ausgeschossen. Der Fußboden klebte von Kautabak, der Pianist klimperte kläglich auf den Tasten, und die Drinks waren verwässert.
    Doch die allgemeine Kundschaft schien davon nichts zu bemerken. Sie waren gekommen, um sich zu amüsieren, und die neuen Gesellschafterinnen ließen die Herzen höherschlagen.
    Genau diese Atmosphäre brauchte Ross, um sich einzureden, dass er in seinem derzeitigen Leben unglücklich war.
    Er nahm sich an der Bar eine Flasche Whiskey und drängte sich durch die stinkenden Leute bis zu einem Tisch, wo ein Pokerspiel im Gange war. Gott sei Dank hielten sich die Einsätze in Grenzen, er konnte bei der nächsten Runde einsteigen und gewann sie. Nach ein paar Spielen und ein paar Gläsern Whiskey fiel ihm der Mann am anderen Ende des Raumes auf, der ihn eingehend beobachtete. Der Mann wirkte so betont unauffällig, dass Ross sofort Verdacht schöpfte.
    Jeder seiner Instinkte schaltete auf Alarm. Als er wieder aufsah, hatte der Mann ihm den Rücken zugewandt, aber Ross wusste , dass er ihn erkannt haben konnte. Er nahm seinen Gewinn, ließ den anderen Spielern den Whiskey und machte sich auf den Weg zur Seitentür des Saloons.
    Vorsichtig trat er in die dunkle Gasse hinaus. Verdammt, sein Beschatter stand an der Ecke und zündete sich eine Zigarre an. Das konnte auch harmlos sein, aber Ross ging kein Risiko ein: Er hatte Lucky vor dem Saloon gelassen, konnte ihn aber erst später holen. Jetzt muss te er erst einmal

Weitere Kostenlose Bücher