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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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fehlt uns naturgemäß, weil uns die Kenntnis fehlt, wo wir ansetzen sollen.«
    Obwohl Ottakring keine ausreichende Nachtruhe gehabt hatte, wirkte er entgegen seiner Erwartung entschlossen und energiegeladen. Es war der Staatsanwalt, der müde und mürrisch neben ihm saß. Er beteiligte sich kaum an der Diskussion, nickte lediglich das eine oder andre Mal und raunzte einen Journalisten an.
    »Letzte Frage bitte.«
    Eine Journalistin in der vorletzten Reihe stand auf. »Wo befindet sich die Leiche eigentlich? Die Frau ist ja seit über zwei Monaten tot. Wurde sie beigesetzt, und wenn ja, wo?«
    Ottakring hatte Mühe, über so viel Naivität und Unwissenheit nicht den Kopf zu schütteln. »Meine Dame, wo hätte sie denn beigesetzt werden sollen und von wem? Ich habe heute aber meinen menschenfreundlichen Tag und daher eine Antwort für Sie: Der Leichnam ist selbstverständlich asserviert. Die Dame ruht sicher und geduldig im Kühlfach der Rechtsmedizin in der Nußbaumstraße.«
    Ottakring war zunehmend ruhiger und gelassener geworden. So gelassen, dass während der Fragestunde in seinem Kopf sogar eine Idee geboren wurde.
    »Lola, würdest du mir helfen?«
    »Dir soll wirklich geholfen werden? Dir, Kriminalrat Josef Ottakring persönlich?«
    Ja, sie kannte ihn bereits gut und konnte ihn einschätzen. Lolas Netzwerk reichte mit Sicherheit bis nach Unterföhring, wo »Aktenzeichen XY « aufgenommen wurde. Ihr Dienstweg wäre kürzer und vor allem schneller als der offizielle, den er sonst einschlagen müsste. Er erklärte ihr, was er vorhatte.
    Am folgenden Mittwoch wurde die nächste Sendung ausgestrahlt. An diesem Mittwoch wurde das Foto der Unbekannten mit den bisher vorliegenden Daten in »Aktenzeichen XY « der breiten Öffentlichkeit vorgestellt.
    Am nächsten Tag, dem 23.   März, meldete sich ein gewisser Andrea Colucci beim Kriminaldauerdienst. Er sprach mit einem angenehmen Bassbariton.
    »Ich habe Frau erkannt.«
    »Wer sind Sie?«
    Er nannte seinen Namen. »Ich arbeite bei BMW und habe gesehen die XY gestern.«
    »Und wen haben Sie da erkannt?«
    »Tote Frau auf Foto.«
    »Ja, danke. Kennen Sie auch Ihren Namen? Wissen Sie, wo die Frau gelebt hat?«
    »Frau ist Selma von Olbia. Andere Name ich nicht weiß.«
    »Selma von Olbia – ist das der korrekte Name der Frau aus der Sendung?«
    Lachen. »Nein, nur Selma. Olbia ist Stadt, aus der ich stamme. Daher ich kenne Selma.«
    Den Beamten war augenblicklich klar, dass sie ein Juwel vor sich hatten. Ein Juwel musste gepflegt werden.
    »Signore Colucci, wo halten Sie sich derzeit auf? Wir holen Sie ab.«
    An der Tür zum Vernehmungszimmer stieß Ottakring fast mit Andrea Colucci zusammen. Der Zeuge wollte in den Raum hinein und Ottakring aus dem Raum heraus noch rasch zur Toilette.
    Colucci war ein schmächtiger Mann um die vierzig mit schütterem Haar und offenem Blick. »Andrea Colucci«, murmelte er verlegen und deutete eine Verbeugung an.
    Der aus Olbia auf Sardinien stammende Mann war gelernter Lackierer und arbeitete seit sechs Jahren in der Produktion bei BMW in München. Er war der Glücksfall, auf den Ottakring so lange gehofft hatte.
    »Ja, ich kenne diese Frau«, sagte er und nickte. Zum Lesen und zum Betrachten des Fotos benötigte er eine Brille. Colucci war ganz vorn auf die Stuhlkante gerutscht. Beide Unterarme ruhten auf dem Tisch vor ihm. »Sie heißt Selma und war zu meiner Zeit Bedienung in Olbia in der Bar Grappa am Corso Umberto. Wie kam sie denn nach Deutschland?«
    Ja, das wüsste ich auch gern, dachte Ottakring. »Wir werden es herausfinden«, antwortete er laut. Und fügte hinzu: »Es gibt keinen Zweifel, dass dies die Frau ist, von der Sie sprechen? Wie heißt sie mit Nachnamen?«
    Colucci warf einen nervösen Blick hinauf zu der abgedunkelten Milchglasscheibe links von ihm. »Ihren Nachnamen kenne ich nicht. Für mich war sie nur Selma. Und Zweifel? Nein, habe ich nicht. Sie sieht etwas älter aus als damals, und das Gesicht ist leicht verschoben, aber …« Colucci ließ im Raum stehen, was er meinte. Zum ersten Mal zeichnete sich auf seinem bisher unbewegten Gesicht eine Regung ab. Der Mann war den Tränen nah. Die Hände in seinem Schoß rangen miteinander. Dann wieder tippte er sich mit dem Zeigefinger langsam gegen die Unterlippe.
    »Darf ich rauchen?«, fragte er mit flehendem Blick.
    »Ja, gern. Aber draußen.«
    Die Tür fiel hinter Andrea Colucci und seinem Begleitbeamten ins Schloss. Ottakring saß nach der Anhörung noch eine

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