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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Ottakring hatte eine ausdruckslose Miene aufgesetzt.
    »Um das noch zu verifizieren, bin ich hingefahren und habe Leute befragt. Einen Landwirt …«, Matthes kramte einen handgeschriebenen Zettel hervor, »… einen Schäfer, ich war beim Tourismusverband und im Gemeindebüro, zu guter Letzt hab ich noch die Polizei gefragt – alle bestätigen die Aussage des Gutachtens: Es hat in Wörgl und in Angath in der Nacht zu Neujahr um Schlag Mitternacht aufgehört zu schneien.«
    Als er geendet hatte, begann dezentes Gemurmel unter den Anwesenden.
    Auch Ottakrings Miene hatte sich aufgehellt. »Das nenne ich saubere Recherchearbeit«, sagte er freundlicher, als man es bei ihm gewohnt war. Und an die anderen gewandt fragte er: »Und? Was schließen wir daraus?«
    Die junge Ina war es, die ohne jedes Zögern antwortete. Als hätte ihr die Lösung bereits auf der Zunge gelegen. »Dass die Tasche nach diesem Zeitpunkt auf dem Lkw-Parkplatz der Raststätte Angath abgelegt worden sein muss.« Sie zog eine Schnute und die Stirn kraus, als müsste sie überlegen. »Von Wörgl bis Ramersdorf dauert es mit einem Lkw – und davon gehen wir doch aus? – sagen wir zwei Stunden, maximal drei. Demnach müssen wir nach einem Mann suchen, der zwischen dem Ersten in der Früh und dem Zweiten in der Früh einen Lkw über die Autobahn gefahren hat.« Siegessicher schaute Ina in die Runde, als ob sie ein lobendes »Brav, setzen« erwartete.
    Mayr, der neben Ottakring saß, zwirbelte an seinem schwarzen Schnauzer herum und rückte die ewige Baseballmütze ins Genick. »Ja, ja, Madl, da hast scho recht«, ließ er verlauten. »Aber mir sollten scho früher zuabacka.« Er stupste Ottakring mit dem Ellenbogen und sah ihn fragend an.
    Mayrs Wortschatz bestand nicht selten aus derben Flüchen. Ottakring hatte ihn einmal vor der gesamten Mannschaft deswegen zurechtgewiesen. Seither hielt Mayr sich zurück, wenn der Chef in der Nähe war. Der nickte.
    In reinstem Giesinger Dialekt fuhr der Mayr fort. »Wenn ich die Recherche von unserem Kriminalrat richtig verstanden hab, geht er davon aus, dass der Lkw auf dieser Rollenden Landstraße bis nach Wörgl gekommen ist.«
    Ottakring schüttelte den Kopf. »Ich räume dieser Möglichkeit lediglich einen hohen Stellenwert ein«, kommentierte er unnötig geschwollen.
    »Na gut«, lenkte Mayr auf Hochdeutsch ein. »Beleuchten wir also diese Möglichkeit. Nehmen wir an, dieser Laster fährt in Wörgl vom Zug und will nach Norden. Der Fahrer muss dringend bieseln oder Wasser nachfüllen oder sonst was. Dazu nimmt er die nächstmögliche Ausfahrt, das heißt den nächstmöglichen Rastplatz. Und das ist Angath. Dass der Täter dort angehalten hat, ist für mich absolut schlüssig, wenn er auf der RoLa angereist ist.«
    Mayr machte eine kurze Pause, während der er aufstand, sich einen Kaffee holte und sich wieder hinsetzte. Die anderen warteten, weil sie den Mayr kannten. Nach zwei tiefen Schlucken aus der Tasse redete er weiter. »Der Waller ist eh im Süden. Er soll doch einmal zum Brennersee fahren und denen das Phantombild unter die Nase halten. Ich halte sogar jede Wette, dass der Lkw in der Neujahrsnacht verladen wurde. Falls da überhaupt Züge fahren, das werd ich noch prüfen.«
    »Hab ich schon«, sagte Ottakring. »Alle zwei Stunden ist einer gefahren. Und Sie haben recht, Mayr. Das ist eine gute Idee. Wir müssen das Foto überprüfen. Wir dürfen das jetzt nicht schleifen lassen.«
    Die Schlinge schien sich langsam zuzuziehen. Ottakring spürte, wie der Druck wuchs. Mit Wehmut dachte er daran, wie ihm Druck, Stress und Multitasking noch vor fünf oder zehn Jahren nichts ausgemacht hatten. Dasselbe Problem hatte er bei Schlafmangel und Müdigkeit. Vor zehn Jahren hatte er die ganze Nacht lang Räuber und Mörder oder zwanzig Bardamen jagen können, ohne sich morgens müde zu fühlen, wie wenig Schlaf er auch bekommen hatte. Doch diese Zeiten waren vorbei und würden wohl auch nicht wiederkommen. Allein der Reiz, einem Verbrecher auf der Spur zu sein – je dichter, desto besser –, verlieh ihm frische Kraft und Energie.
    Auf einmal merkte Ottakring, wie er lächelte. Nein, es waren nicht nur die Verbrecher und die Bardamen, die ihn wach hielten. Lola spielte dabei eine besonders bedeutsame Rolle. Nach einer Nacht mit ihr fühlte er sich wie ein junger Gott. Frisch, lebendig, voller Elan und bereit zu neuen Taten.
    Ottakring versuchte, Waller zu erreichen. Er antwortete nicht. Nachdem er zum

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