Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
eingefallen waren und die letzte Hoffnung erloschen war, als sie den Staub verließen
und sich vor dem Objekt wiederfanden.
Es handelte sich um einen schwarzen Felsen, der in dieser Einöde so fehl am Platz wirkte, wie ein Zwerg bei einer elfischen Hochzeit. Glühende Ströme aus geschmolzenem Gestein liefen wie Adern durch die Dunkelheit und pulsierten wie die Herzschläge eines sterbenden Ungeheuers, welches man in der Sekunde des Verlusts lieb gewonnen hatte. Ihr Blick wanderte in die Höhe. Auf dem Gipfel schwebte ein bernsteinfarbener, bekrallter Vogelfuß mit dunkelroten, verschnörkelten Zeichen darauf. Eine hellblaue Aura umhüllte ihn schützend.
„ Das ist unser Ziel. Der Schatten muss bereits erwacht sein. Ich vermute, dass es derjenige war, der vor dem Betreten des Staubes an mir vorüberglitt.“ meinte Waldoran, welcher sich als Erster wieder von dem faszinierendem Anblick losgerissen hatte.
Vorsichtig bewegte er sich auf den Stein zu. Nachdem er ihn einmal umkreist hatte, streckte er seine Hand unter den bangenden Blicken seiner Gefährten aus. Seine Finger berührten das schwarze Kernstück des Steines. Der Elf zuckte bewusst aus Angst vor der Hitze zurück, bevor er seine Hand erneut auf der rauen Oberfläche platzierte. Der Stein war kalt.
„ Helft mir.“ rief er den Anderen zu, da sie immer noch staunend vor dem pulsierenden Felsen standen.
„ Wir kommen.“ Dante, Lannus und Chorz – ohne Garandor auf dem Rücken, da dieser abgestiegen war, um sich verträumt auf den Boden zu setzen – eilten dem Elfen zur Hilfe. Es fanden sich zwar einige Risse im Gestein, doch die meisten waren zu schmal, als dass ein Finger oder gar ein Fuß halt darin finden würde.
Lannus hoffte, dass Waldoran unelegant aussehen würde, während er auf Chorz' Rücken kletterte, damit dieser zumindest ein wenig Menschlichkeit bewies, doch wurde enttäuscht, als der Elf sich in einer flüssigen Abfolge zuerst auf den Rücken des Stieres und dann in derselben Bewegung auf den Stein schwang. Lannus fragte sich, weshalb er ausgerechnet in diesem Augenblick an solche Banalitäten dachte, beschloss jedoch, dass es vorteilhaft wäre, seine Konzentration wieder auf das faszinierende Objekt zu lenken.
Nach wenigen Herzschlägen befand sich Waldoran an der Spitze und stach mit seiner Hand durch die Aura, um den ellenlangen Fuß mitsamt der Krallen und des Laufknochens, mit einer Hand zu umfassen. Die Szene wirkte wahrlich majestätisch. Der überragende, blonde Elf stand auf einem mächtigen, schwarzen Felsen hielt den Schlüssel zu ihrer vollkommenen Freiheit in der Hand.
Waldoran sprang vom Stein herunter und landete nonchalant auf dem Boden, bevor er von Chorz, Lannus und Dante umzingelt wurde, welche voller Neugier auf den Fuß starrten.
„ Ich erinnere mich an die Legenden.“ begann Waldoran mit einem diaphanen Hauch von Ehrfurcht. „Dies ist die Klaue des schimmernden Adlers. Diese mächtige Kreatur besaß ein spezielles Band zu Aleinn, der elfischen Mutter. In der ersten Schlacht um die Erodyn-Höhen übertrug sie kurz vor ihrem Untergang all ihre Energie, ihre Macht und Magie, in den Adler. Dieser focht an ihrer Stelle weiter, fokussierte Aleinns Macht in seine Krallen, um sie zum Glühen zu bringen und so im Sturzflug durch die Reihen der Orks zu streifen. Doch auch er fiel Nithral letztendlich zum Opfer und verlor seinen Fuß. Aleinns antike Energie steckt in diesem Objekt. Deshalb wurde ich als Elf von ihr angezogen. Deshalb kann es die Schatten vernichten.“
Dante und Lannus starrten Waldoran mit offenem Mund an, während Chorz und Garandor vollkommen verstummt waren.
„ Wir müssen umgehend von hier verschwinden. Ich habe die Zeichen auf dem Fuß entziffert.“ weckte der Elfenfürst seine Gefährten aus ihrer Starre. „Sie sind in der antiken, elfischen Zunge verfasst worden und besagen, dass die Krallen auf die Erodyn-Höhen gebracht werden müssen, wo sie vor unzähligen Wintern verloren wurden. Es wird ein Zeichen geben, wenn wir dort angekommen sind. Wir müssen uns jedoch beeilen.“
Keiner der vier Auserwählten stellte eine Frage, als sie sich auf den Rückweg machten. Sie alle waren zu tief in ihre eigenen Gedanken versunken.
Ein silber-blaues Pünktchenfeuer entstand hinter den geschlossenen Augenlidern. Das Feuer zerfloss und stellte ein hohes Plateau, nahe der Grenze dar. Er ließ die Punkte vor seinen Augen freien Lauf, ließ ihnen die Freiheit, sich selber zu arrangieren.
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