Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
aller Vermutungen mehr als zwei Tage in Anspruch genommen. Sie erkundigten sich nun über ihre Positionen für die finale Schlacht und Grimmdor brüllte den gelassenen Spitzohren vage Befehle – welche seine Beleidigungen nur mäßig kaschierten – zu. Sobald sich die Formation scheinbar von selbst perfektioniert hatte, begannen vor allem die Zwerge und Menschen damit, ihre Waffen zu reinigen und mit mitgebrachten Schleifsteinen zu schärfen. Einige zwergische Ambosse waren sogar mit Hilfe der kräftigen Pferde der Menschen auf die Erodyn-Höhen gezogen worden.
„ Eure Aufgabe wird es sein, so lange in Sicherheit zu bleiben, bis ich euch rufe. Auf mein Signal müsst ihr unverzüglich erscheinen und die Schatten mit aller Macht aufhalten. Wenn die Auserwählten bis dahin nicht angekommen sind, können wir uns geschlagen geben.“ Nach einer knappen, angespannten Pause fügte Torabur murmelnd einen Satz für sich selber hinzu.
„ Und werden allesamt auf der Stelle abgeschlachtet.“
„ Werden wir dein Signal über den Schlachtlärm vernehmen können, Torabur?“
„ Ich werde das Horn Balradors erklingen lassen, Balira. Ganz Santúr wird das Signal spüren.“ Stolz schwang in der Stimme des Königs mit und verdeckte seine zerfressende Angst.
Die Zwergin nickte. Als einzige Magierin ihres Volkes lastete eine enorme Verantwortung auf ihren breiten Schultern. Misstrauisch musterte sie die fünfzehn Elfen und den Menschen. Die Chance, dass diese die letzten ihr wohlgesonnenen Gesichter sein würden, welche sie in ihrem Leben sah, war hoch und füllte sie mit Schmerz. Die Elfen wirkten nicht im Geringsten, als wären sie mächtige Zauberer, fand Balira. Sie trugen je nach Herkunft entweder die leichte Lederrüstung Antárs oder die dünne, goldene Brustplatte der Hochelfen. Die einzige Möglichkeit, sie von den herkömmlichen Kriegern zu unterscheiden, war die Tatsache, dass sie elegante Stäbe mit diversen Edelsteinen an den Spitzen trugen. Lediglich ein Elf kleidete sich in der Robe eines Magiers, doch dieser ließ kalte Schauer über Baliras Rückgrat strömen. Ein bodenlanges, violettes Gewand verdeckte seinen gesamten Körper und sein – oder ihr, schoss es Balira durch den kühnen Geist – Antlitz wurde von einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze verdeckt. Der violette Elf besaß keinen Stab. Ihr Blick wanderte zu seinen Händen. Die Nägel waren beinahe so lang wie ihre Finger und schimmerten in derselben Farbe wie sein Gewand. Die Zwergin war sich nicht vollkommen sicher, ob sie ihren Augen trauen durfte, doch sie meinte, bisweilen flüchtige, blaue Blitze zwischen den Fingern hin- und her zucken zu sehen.
Das Warten ermüdete Balira und so schweiften ihre Gedanken ab, während sie dem unheimlich alten, menschlichen Magier dabei zusah, wie er seinen weißen Bart in seinen eigenen Gedanken verloren streichelte.
Sie kramte in ihrem leeren Kopf nach Bildern von Garandor. Als sie endlich welche entdeckte, durch die thronenden, alles-überschattenden Probleme die sich in den Vordergrund kämpften, in den Tiefen ihres Hinterkopfes vergraben, zerriss eine Stimme das stille Beisammensein.
„ Balira. Du siehst verloren aus.“ konstatierte Torabur besorgt.
Der König war zu ihr hinüber spaziert, als die restlichen Magier sich zu ihrem Versteck aufmachten, ohne sie über den Ort in Kenntnis zu setzen. Sie selber hatte nicht mitbekommen, dass sie nun in Einsamkeit verweilte.
„ Es ist nichts, Torabur.“ Sie blickte zu Boden.
„ Ich spüre, dass die Auserwählten es schaffen werden. Sie müssen. Begib dich nun zum Versteck, Balira. Die anderen Magier sind dorthin gelaufen.“ Er zeigte mit dem Finger.
„ Ich bin mir nicht so sicher.“ sagte sie, doch nickte gedankenverloren, als Antwort auf Toraburs Anweisungen. Der König klopfte der Zwergin mit einem aufmunternden Lächeln auf die Schultern und nickte ihr freundlich zu, bevor er sich umdrehte, um den anderen Kriegern ihre Befehle einzubläuen. Sie stand auf und hastete hinter den Magiern her.
Nachdem sie zu ihnen aufgeschlossen hatte, führte der Weg sie in eine schmale Nische am östlichen Fuß der Erodyn-Höhen. Dort befanden sie sich in Sicherheit und wegen der geringen Entfernung von zweihundert Schritten, würden sie in der Lage sein, das Horn Balradors erschallen zu hören. Da Balira als Letzte eintraf, musste sie sich notgedrungen an den Eingang der Felsspalte setzen. Sollte es anfangen zu regnen, würde ihre linke Hälfte nass werden.
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