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Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Titel: Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Dorpema
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heimsuchte.
    Er entschied sich für den Aufstieg; Claudius hätte es so gewollt. Mit Tränen auf den Wangen machte sich der junge Krieger daran, den Turm zu bezwingen. Nun war Geschwindigkeit das einzig wichtige.
    Ein Großteil seiner Brüder hatte ihre Fenster bereits erreicht und wartete lediglich auf ein paar Nachzügler, zu denen Morpheus selbstverständlich gehörte. Einige, kräftige Klimmzüge später hatte der junge Krieger das Ziel ebenfalls erreicht.
    Sein Kopf drehte sich so träge nach links, als bestünde sein Nacken aus Wachs, um das Zeichen Raspirons nicht zu verpassen. Er fühlte sich, als beobachte er seinen nassen, zitternden Körper durch die Augen eines Anderen. Morpheus selber konnte den Meister nicht sehen, doch Rendal hing sich an einer der acht Ecken des Turmes und spähte auf die andere Seite.
    Morpheus' junger Freund starrte ihn plötzlich an. Er hatte keine Tränen im Gesicht und Morpheus hoffte innig, dass sie lediglich vom Regen weggespült worden waren, dass sie sich in seiner Nässe versteckten. Womöglich hatte sein Partner den Tod noch nicht verarbeitet. Schließlich lastete ein gewaltiger Druck auf ihren Schultern, welcher den Schock möglicherweise unterdrückte.
    „ Es geht los.“ flüsterte Rendal kalt.
    Gebraucht hätte er es allerdings nicht, denn die Stimme des Meisters würde selbst an der Westküste widerhallen.
    Der Hohn des Schicksals. Vor wenigen Augenblicken hatte er seinen Freund verloren und nun musste er unschuldigen Wesen dasselbe Leid zufügen. Es half alles nichts; er ergriff das Fensterbrett. Ein letzter, flüchtiger Blick in die Tiefe zeigte ihm, dass eine Gruppe Soldaten Claudius fort trug. Er zog sich explosionsartig hoch und sprang in den übervölkerten Raum.
    Durch jedes einzelne Fenster kletterten seine Brüder, als der grauenhafteste Teil der Mission begann; für Morpheus' Verstand sinnloses Abschlachten. Nagender Zweifel keimte in ihm auf. Doch er konnte nichts dagegen unternehmen, es war zu spät. Er lenkte seine Konzentration auf das, was die Magister ihm beigebracht hatten. Den Tunnelblick. Seinen Kopf zu leeren, während er tötete. Nicht zu denken, sondern zu schlagen, zu stechen, zu parieren. Wieder und wieder. Glücklicherweise trug er eine Kapuze, denn sonst wäre der Tränenschleier auf seinem Gesicht für jedermann sichtbar.
    Ein rascher Blick zeigte ihm, dass sich lediglich eine äußerst ausgedünnte Schar von etwa zwölf Zwergen verzweifelt gegen die Übermacht wehrte. Sie hatten sich Rücken an Rücken in einem Kreis aufgestellt und rotierten, ihre Waffen im Anschlag und furios knurrend in einem rasenden – doch nicht unüberlegt wirkenden – Tempo um ihre eigene Achse. Trotz der Unterzahl würden sie nicht aufgeben, das stand fest. Mit grimmiger Entschlossenheit würden sie bis zum Ende gefährliche Gegner bleiben.
    Nach einigen weiteren Umdrehungen jedoch, während welcher die Mischung aus Schweiß und greifbarer Angst eine intensive Atmosphäre gebaren, begangen die Verteidiger einen groben Fehler. Im Glauben, die Konzentration ihrer teils jungen Angreifer lasse trotz der Adrenalinschübe nach, fächerten sie aus, stürmten auf die milde überraschten Klanglosen Klingen zu. Morpheus – der Hauptmann Raspiron, welcher einem jungen, verängstigt aussehendem Zwerg der geradewegs auf ihn zuraste, sein langes Rapier durch die ungeschützte Stelle an der Kehle stieß – als einen lebenden Schild verwendete, wandte seinen Blick ab. Der Zwerg ging sofort mit einem unbehaglichen Gurgeln zu Boden. Bestialische Schreie hallten vereinzelt durch die prachtvolle Halle, in der einige ihrer Erbauer nun den roten Boden säumten.
    Erneut fragte Morpheus sich, warum er dieses Leid ertragen musste. Die Szenen nisteten sich in seinem Gedächtnis ein, um abstoßende Eier zu legen. Schon jetzt konnte er in einigen Nächten keinen Schlaf finden, weil die erschlaffenden Grimassen seiner Opfer sich wie eine Wand vor ihm aufbauten. Gewiss besaßen die meisten eine Familie. Doch er musste es tun, sein Vater zwang ihn dazu, dies war sein Weg. Er war selbst einmal ein bedeutender Kommandant gewesen und nun erwartete Eteís dasselbe von seinem Nachkommen.
    Schlagartig fiel ihm ein, wozu sie diese Last auf sich genommen hatten. Er blickte sich um und hielt nach dem Zwerg von den Zeichnungen Ausschau. In diesem Moment traf ihn ein mächtiger Schlag am Hinterkopf. Morpheus wurde von den Beinen gerissen und krachte in den gepanzerten Rücken Raspirons. Benommen blieb

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