Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
abblieb.
„ Garandor. Wir müssen weiter.“ riss Dante den grübelnden Zwerg aus seinen Gedanken. Dieser schreckte kurz auf, und setzte sich – seinen Kopf in die Höhe gewandt, damit er die Menge der Leichen nicht anstarren musste – in Bewegung.
Er hatte sich vorgenommen, Waldorans Befehlen nach seinen besten Fähigkeiten zu befolgen, um dem Elfen keine weiteren Gründe zu schenken, ihn noch stärker zu verachten. Die Tatsache, dass Garandor so etwas wie Furcht kannte, machte ihn schließlich zu einem Weichling seiner Rasse. Es gab nichts, da war sich Garandor sicher, das einen wahren Zwerg in Angst versetzte. Eigentlich, folgte Garandor seinen Gedanken, konnte er kein richtiger Zwerg sein. In diesem Moment schoss Balira ihm in den Geist und füllte seinen Kopf vollständig auf. Ihre strahlenden Augen, die rötlichen Backen. Er verstaute ihr Bild sofort wieder in den Tiefen seiner Erinnerung. Es war nicht gut, sich zu stark nach einer unerreichbaren Erinnerung zu sehnen, selbst wenn sie sein Licht im Dunkeln waren, wie Torabur ihm offenbart hatte.
Ein Ziehen an seinem Arm riss ihn erneut aus seinem Kopf heraus und warf ihn in die Wirklichkeit.
„ Garandor. Du bist plötzlich stehen geblieben.“ stellte Dante aufmunternd fest. Der Zwerg nickte.
„ Tut mir leid.“ Seine Stimme war leise. Dante klopfte ihm auf die Schulter und setzte sich, Garandor folgend, erneut in Bewegung.
Der Zwerg wurde plötzlich wütend, als ihm der Gedanke kam, dass Waldoran mit Sicherheit sah, wie die Reise Garandor quälte, doch diese Tatsache ihm scheinbar vollkommen gleichgültig war. Und nun wurde er wütend auf sich selber, da er zornig geworden war. Garandors Gefühle waren nichts wert auf dieser Reise, sie waren bloß Ballast. Er musste lernen, sie zu begraben, sie an einem sicheren Ort zu verstecken, bis er wieder in seine Heimat, in die Festung Eisenturm, zurückkehrte.
So zogen sie weiter.
Der Rest des Tages verlief ruhig. Gegen Nachmittag entkamen sie aus dem dichten Wald und fanden sich auf einer staubigen Straße wieder, von welcher aus der Horizont endlos schien. Sie schlängelte sich durch die hügelige Graslandschaft, auf der diverse Tiere friedlich grasten. Einzelne, dichte, grüne Bäume mit rosaroten Knospen zierten die leichten Erhöhungen. Diese Gegend machte auf die Gefährten einen überaus freundlichen, lieblichen Eindruck und als sie gegen Abend ihr Lager unter einem der rosaroten Bäume aufschlugen, wurde ihre Meinung durch den Gesang nachtaktiver Tiere und dem sanften Regen der hübschen Knospen bestätigt. Da Waldoran es hier für sicher hielt, ein Feuer zu entfachen, obgleich sie zu Beginn des Tages beinahe von Orks zerfleischt worden waren – womöglich hatte die Schönheit der Landschaft ihn betört, doch weder Dante noch Garandor konnten sich das so recht vorstellen – sorgten der Mensch und der Zwerg dafür, dass eines für Waldoran flackerte, bis er mit einigen erlegten Tieren von seiner Jagd wiederkehren würde.
„ Dante.“ räusperte sich der Zwerg, als zahme Flammen halkyonisch loderten.
„ Rede, Garandor.“ antwortete Dante während er sich gegen den schmalen, braunen Stamm lehnte und zufrieden die Augen schloss.
„ Es macht dir nichts aus, alles hinter dir zu lassen, nicht wahr?“ fragte er neugierig.
„ Du hast Recht, Garandor.“ gab Dante ohne zu zögern zurück.
„ Obgleich die Wahrscheinlichkeit dass du stirbst so hoch ist. Wie – „
„ Garandor.“ unterbrach der junge Menschenkrieger Garandor sanft und blickte ihm ernsthaft in die Augen. „Es ist eine ungeheure Ehre, das Schicksal des Ostens auf meinen Schultern zu tragen.“ Die Augen des Zwergs füllten sich mit Kummer, der sich in Form einer einzelnen, verlorenen Träne äußerte, welche widerwillig sein raues Gesicht hinab glitt und in seinem Bart versickerte. Er gab keine Antwort, sondern blickte starr, betrübt auf den Boden.
„ Ich verstehe deinen Kummer, Garandor. Du hattest eine Heimat, gute Freunde. Du hast den Schatten der Festung noch nie verlassen und fürchtest dich vor der Verantwortung, vor dem Tod, vor dem Scheitern. Doch wenn wir diese Reise nicht angetreten hätten, wenn wir unser Leben nicht aufs Spiel setzen würden, bliebe nichts. Deine Festung, deine Freunde – Latenor würde alles niederreißen.“ Ein bitteres Lächeln blitzte kurz in seinem Gesicht auf, als er sich an den Verrat Latenors erinnerte. Daran, dass sie gegen einen Elfen in die Schlacht ziehen würden.
Dante richtete
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