Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
Trostlosigkeit erreicht und kein einziger, verlorener Grashalm blickte mehr durch die stahlgraue Erde. Der Himmel war nun pechschwarz, sodass lediglich Waldoran weiter als zehn Schritte sehen konnte.
„ Waldoran.“ Lannus räusperte sich, nachdem sie eine Zeit lang in Schweigen gehüllt vorwärts marschiert waren.
„ Was hast du mir zu berichten?“ erwiderte Waldoran tonlos.
„ Dort ist ein kleines Feuer; direkt hinter den Bäumen.“ Lannus zeigte mit seinem Arm in die Richtung einer Baumgruppe. Sie befand sich etwa dreißig Schritte vor ihnen und es sah aus, als schwebe eine winzige Flamme zwischen zwei der Baumkronen.
„ In Deckung.“ zischte Waldoran. „Legt euch flach auf den Boden und atmet nicht.“ Während er diese Befehle äußerte, lief er bereits geduckt auf die Baumgruppe zu. Seine Schritte geräuschlos, was auch Lannus auffiel, der beinahe seine Bewunderung und Ungläubigkeit lauthals kund gab, hätte Dante ihm nicht im letzten Moment einen leichten Tritt verpasst. Die beiden Menschen lagen etwa auf derselben Höhe, der Zwerg ein paar Schritte hinter ihnen, was daher rührte, dass er nicht so flink war, wie seine drei Gefährten.
Waldoran erreichte das Feuer. Er stand zwischen den beiden Bäumen und blickte in die Höhe. Urplötzlich schnellte sein Arm zur Seite und hielt die Hand einer mit einem Schwert bewaffneten Kreatur umklammert. Seine Augen senkten sich in die Dunkelheit, als er seinen unsichtbaren Gegner geschickt entwaffnete und das Schwert gezielt in die Nacht stieß. Ein entferntes Stöhnen drang kaum vernehmbar aus dem Schatten der Bäume. Waldoran verschwand im Gestrüpp, um im nächsten Augenblick, einen Ork über den Boden schleifend, zurückzukehren.
Der Gestank der stöhnenden Bestie drang zu den wartenden Auserwählten, welche sich neugierig erhoben. Blut triefte aus einer klaffenden Wunde am rechten Arm des Geschöpfes. Es hatte erbsengroße, grüne Augen die tief im Schädel vergraben lagen und mehrere Reihen scharfer Zähnchen schmückten den offenen Mund. Wie bei allen Orks war die Haut gräulich. Diverse Narben zierten die Arme; Trophäen aus erfolgreichen Schlachten. Die Lederrüstung glänzte schwarz, wies unzählige Löcher auf und stank nach ranzigem Fett. Ein verrostetes Schwert baumelte in einer dünnen Scheide an seinem Gürtel.
„ Du erzählst mir nun, ob sich noch weitere Kreaturen deiner Sorte in diesen Gegenden aufhalten.“ verlangte Waldoran in der Sprache der Menschen, da er sich weigerte, die abscheuliche Zunge der Orks zu verwenden.
„ Niemals.“ stöhnte die verwundete Kreatur.
Der Elf nahm einen Pfeil aus seinem Köcher und hielt sie der Bestie vor das schmerzverzerrte Gesicht.
„ Du hast die Wahl. Ich möchte eine Zahl hören.“ Waldorans Stimme strahlte eine Charakteristik aus, die der des Feuers glich: bedrohlich, erbarmungslos, emotionslos.
Die Antwort bestand aus einem Klumpen Speichel, der für das Gesicht des Elfen bestimmt war. Dieser wich gelassen aus.
„ Gut.“ Mit diesem Wort rammte der Fürst der Kreatur den Pfeil in das Knie. Gequälte Geräusche drangen aus dem Mund des Opfers.
„ Nun – „ setzte Waldoran gleichgültig an, doch der Ork schloss als Antwort den Mund und biss sich als Zeichen seiner Loyalität auf die Lippen.
„ Du bist dir sicher.“ konstatierte der Fürst.
„ Stinkender Elfenbastard.“ Schaum umspielte den Mund der Bestie, als sei er die Gischt, während die Zähne zerfressene Klippen waren.
Waldoran zuckte einmal mit den Schultern, bevor er dem Ork einen Pfeil durch das rechte Auge stach, ihn unverzüglich herauszog.
„ Wertlose Kreaturen.“ schüttelte der Elf den Kopf und drehte sich zu seinen Gefährten um. Dante und Garandor hatten dieses Szenario bereits miterlebt und wirkten unberührt. Nicht einmal Garandor trauerte einem toten Ork nach. Lannus hatte noch nie einen Ork gesehen und das Aussehen der Feinde paralysierte ihn.
Gemälde solcher Kreaturen traf man im gesamten Reich des Ostens nicht an. Jedes der drei Völker sah es als Schande an, die widerlichen Fratzen des Feindes in Stein oder auf Papier zu bringen. So war die einzige Möglichkeit an Informationen zu kommen, dem Gerede in einer der rauchgeschwängerten, zwielichtigen Tavernen zu lauschen. Lannus hatte die Geschichten der alten Krieger stets für Schauermärchen gehalten, hatte nicht erwartet, dass solche Bestien über die Grenze wanderten. Doch nun sah er, dass Orks in Wirklichkeit genauso scheußlich waren wie in den
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