Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
wagen sollten. Aus diesem Grund verabscheute Latenor es ebenfalls, neue Sklaven einstellen zu müssen, da der Verschleiß zu hoch war. Seine letzte Dienerin hatte ihre Arbeit jedoch zufriedenstellend ausgeführt und war deswegen auch recht lange am Leben geblieben, bevor sie eines Tages den groben Fehltritt gewagt hatte, ihn zu berühren, wonach er sie kurzerhand erstochen hatte.
„ Es tut mir Leid, Herr.“ weinte sie mit gesenktem Haupt, bevor sie leise hinzufügte,
„ Ein Spähtrupp berichtete soeben eine Gruppe aus zwei Menschen, einem Elfen und einem Zwerg in der Nähe des Sögur-Gebirges gesichtet zu haben. Lediglich einer des Spähtrupps hat überlebt.“ Ihre Stimme zitterte.
„ Gut. Verschwinde.“ erwiderte Latenor rasch.
Diese Nachricht war nichts als eine Bagatelle, in Anbetracht der anderen Geschehnisse in seinem Reich. Denn Latenor rüstete zum Krieg auf; Menschen und Zwerge sollten ebenso wie seine eigene Rasse, die Elfen, ausgelöscht werden.
Menschen und Zwerge waren schwache, unwürdige Kreaturen und die Süd-östlichen Elfen aus Antár hatten den eigentlichen Sinn ihres Volkes aus den Augen verloren. Sie waren die Erstgeborenen; ihnen gebührte die komplette Kontrolle über Santúr. Doch sie schlossen Pakt nach Pakt, verwoben ihre Wege mit denen dieser schandhaften, unterlegenen Völker.
Der Legende nach handelten die vier Urväter- und Mütter der ersten Rassen ein mächtiges Bündnis aus. Aleinn, die erste Fürstin der Elfen; Sigur, der stolze Menschenkönig; Balrador, der mächtige Zwerg, und Nithral, der Magier. Doch in dem Augenblick, in dem sie ihre jeweils rechte Hand zum Schwur in die Mitte ihrer heiligen Tafel aus Karneol reckten, zog Nithral, der Magier, sein kurzes, goldenes Zepter aus einem pechschwarzen Mantel und erlegte den Menschenkönig Sigur mit einem mächtigen Zauber. Aleinn und Balrador zogen geistesgegenwärtig ihre Waffen und flogen auf den Magier zu, als Nithral, anstatt sich zur Wehr zu setzen, verschwand, in der Luft zerfloss. Der Tod des Menschenkönigs und das plötzliche Verschwinden des Magiers ließen sich nicht erklären und so machten sich Aleinn und Balrador auf den Weg, Nithral zu finden und den geheimnisvollen Schleier um seine mysteriösen Taten zu lüften. Winter nach Winter streiften sie gemeinsam über die Weiten der Insel, stets auf der Jagd nach dem Verräter.
Schließlich erreichten sie seinen Unterschlupf tief in den Bergen und stellten sich ihm.
Doch als Balrador zum vernichtenden Schlag ausholte – denn dem Zwerg und der Elfe fiel auf, dass Nithral dunkel, finster, geworden war und auch ihnen nach dem Leben trachtete – hielt Aleinn auf einmal den Arm des Zwergs umklammert und hinderte ihn daran, den finalen Schritt ihrer Reise zu tätigen.
Balrador blickte sich verzweifelt zu seiner Gefährtin um und brüllte durch ihr Antlitz, doch die kühlen, elfischen Augen ruhten verächtlich auf dem Urvater der Zwerge, als sie versuchte, ihn mit aller Macht zu entwaffnen. Das Geschehen schenkte dem Magier Nithral ausreichend Zeit, um sein Zepter zu ziehen und auf die beiden Streitenden zu richten, bevor er seine eindringliche Stimme erhob.
„ Die Götter müssen in Scham versunken sein, nachdem sie euch erschufen. Zwei Herrscher, die es nicht vollbringen, einen ausgezehrten, altersschwachen Magier zu erlegen, ohne davor in Streitereien auszubrechen.“ spöttelte seine Stimme voller Verachtung.
Daraufhin wechselten Balrador und Aleinn lange nachdenkliche Blicke, während Nithral erneut in Rauch zerfloss.
Zwerg und Elfe entschieden sich, den Zauberer nicht zu verfolgen und erschufen stattdessen drei fortwährende Königreiche im Osten, während eine magische Grenze sie vom Westen trennte, welchen sie dem verräterischen Magier überließen. Die ehrenhafte, mächtige Linie der Menschen war mit Sigur verloschen und die nachfolgenden Könige waren schwach und ruhmlos, gierig. Dennoch überließen Aleinn und Balrador den Menschen einen Teil der Insel, um Sigur zu ehren; und aus Hoffnung. Hoffnung, dass die Menschen eines Tages erneut zu der Macht ihres ersten Herrschers aufstreben konnten.
Diese Konstellation schien vorerst stabil zu sein, obgleich die östlichen Völker davon überzeugt waren, sich in der Zukunft gegen Angriffe zur Wehr setzen zu müssen.
Eine Frage blieb dennoch offen. Weshalb hatte Allein Balradors Arm vor dem vernichtenden Schlag gebremst? Diese Legende schürte die tiefste aller Fehden zwischen Zwerg und
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